Ramersdorf:Juwele, Idyllen und große Not

Lesezeit: 3 min

Stadtbaurätin Elisabeth Merk und mit ihr ein Tross von Stadträten, Vertretern der Verwaltung und der städtischen Wohnungsbaugesellschaften besuchen das Sanierungsgebiet Ramersdorf

Von Sebastian Krass, Ramersdorf

Warum eigentlich steht da ein Umzugskarton, mitten zwischen den Würdenträgern? Die acht Wohnungen in dem prächtig sanierten Haus an der Aribonenstraße sind längst bezogen. Und auch sonst verlangt der Anlass nicht unbedingt nach einem Umzugskarton: Eine Runde von Stadträten, Stadtbaurätin Elisabeth Merk und anderen Vertreter der Verwaltung sowie der städtischen Wohnungsbaugesellschaften GWG und Gewofag ist nach Ramersdorf gekommen, um eben dieses erst kürzlich abgeschlossene Sanierungsprojekt in Augenschein zu nehmen. Aber dann wird klar, warum der Karton da steht: Die GWG, deren Tochter, die Münchner Gesellschaft für Stadterneuerung (MGS), für die Sanierung verantwortlich war, hat ein Geschenk für die Gewofag, die das Haus nun betreibt. GWG-Geschäftsführerin Gerda Peter und Projektleiter Oliver Kreipe klappen die Kiste auf, holen eine etwas ramponierte Marienstatue heraus und drücken sie Gewofag-Chef Klaus-Michael Dengler in die Hand. Die Statue soll in die eine freie Nische über der Eingangstür. Sie gehört zur Urausstattung der um das Jahr 1900 erbauten Villa. Für die andere Nische muss Dengler sich etwas einfallen lassen: Der Josef ist verschollen.

Die erste Sitzung nach der Sommerpause nutzt der Planungsausschuss des Stadtrats traditionell für eine Rundfahrt, um neue Projekte anzuschauen. An diesem Mittwoch ging es ins Sanierungsgebiet Ramersdorf. Thema waren Wohnprojekte der Gewofag wie auch der GWG und MGS. Aber, und das betonte GWG-Chef Amlong, es sollte auch um andere Nutzungen gehen: "Denn die Stadt wächst ja nicht nur mit Wohnungsbau, wir brauchen Gebäude für ganz unterschiedliche Nutzungen."

Um das Jahr 1900 von der Gärtnerfamilie Seebauer erbaut: Das denkmalgeschützte Haus an der Aribonenstraße 22 in Ramersdorf wurde aufwendig saniert. Nun vermietet dort die Gewofag acht Wohnungen. (Foto: Jan A. Staiger)

Die denkmalgeschützte Villa an der Aribonenstraße 22, am Rand des alten Ramersdorfer Ortskerns und leider auch neben Mittlerem Ring und Rosenheimer Straße gelegen, wurde von der Gärtnerdynastie Seebauer errichtet. Zuletzt aber war sie ziemlich heruntergekommen. Mit einer bemerkenswerten architektonischen, technischen und handwerklichen Leistung wurde sie für 2,3 Millionen Euro hergerichtet. Nun gibt es dort acht Wohnungen, zwei mehr als früher. "Es ist ein Juwel geworden", sagt Gewofag-Chef Dengler. Auch die Stadträte waren angetan. Nur die etwas wuchtige asphaltierte Zufahrt hätte man hübscher gestalten können, merkte Paul Bickelbacher (Grüne) an.

Dann ging es um die Ecke, an die Rosenheimer Straße 245, zum Gemeinschaftsgarten Rosen-Heim. 450 Quadratmeter Fläche, auf denen irgendwann Wohnbebauung entstehen wird. Mit Fördermitteln vom Bund, dem Freistaat und dem kommunalen Programm "Soziale Stadt" hat sich dort seit 2015 ein von zwölf Familien und Einzelpersonen verwalteter Treffpunkt entwickelt, auf dem es auch öffentliche Feste gibt. Man kann eine Beetpartnerschaft übernehmen oder sich künstlerisch betätigen. Nur knapp 50 000 Euro an Fördergeld seien in der ganzen Zeit geflossen, erklärte Dengler. Tatsächlich ist dort ein kleiner, besonderer Ort entstanden, wie es in München nicht oft gibt.

Kleines Idyll kurz vor der Autobahn: Die Betreiber des Gemeinschaftsgartens Rosen-Heim bekommen Fördergelder vom Programm "Soziale Stadt". (Foto: Jan A. Staiger)

Noch im Bau ist, ein Stück weiter den Mittleren Ring entlang nach Westen, der neue Pöllatpavillon. Wenn er fertig ist, gibt es an der Ecke Chiemgaustraße/Pöllatstraße ein neues Multifunktions-Sozialzentrum. Auf 1000 Quadratmeter Nutzfläche entstehen dort ein Nachbarschaftstreff, ein Familienzentrum mit mobiler Tagesbetreuung für bis zu zehn Kinder. Das ist insbesondere für Alleinerziehende gedacht, deren reguläre Kinderbetreuung ausfällt. Außerdem wird es zwei Wohngemeinschaften geben, in denen psychisch kranke oder obdachlose Frauen befristet unterkommen können. Und im Keller entstehen zwei Bandproberäume, von denen es in München viel zu wenige gibt. Vom Mittleren Ring aus sieht man den Pavillon kaum, dafür eine geschwungene Lärmschutzwand, die - wenn sie fertig ist - auch eine schön anzuschauende Verkleidung haben werde, verspricht Dengler.

Ein Stück außerhalb des Mittleren Rings stellte die GWG ein "Wohnen für alle"-Projekt in der Siedlung Görzer Straße/Puechbergerstraße vor. Die Nachverdichtungspläne hatten unter den Anwohnern teils heftige Kritik ausgelöst. Die GWG reagierte darauf, indem sie unter anderem Häuser niedriger baute, als sie eigentlich wollte. Seit diesem Jahr wohnen in den vier Gebäuden mit 76 Wohneinheiten, von der Ein-Zimmer- bis zur Fünf-Zimmer-Wohnung, nun "Menschen, die es am nötigsten haben", wie GWG-Chef Amlong sagt. 51 Prozent des Wohnraums gehen an anerkannte Flüchtlinge, 49 Prozent an Menschen, die Anspruch auf Wohnen mit "einkommensorientierter Förderung" (EOF) haben. Seit die Häuser bewohnt sind, erzählt Amlong, gebe es übrigens keine auffällige Zahl an Beschwerden mehr.

© SZ vom 20.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: