Ramersdorf:Im Baustellen-Modus

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Die Bühne steht noch nicht, in den Proberäumen fehlen Türen und Leuchten, und die Gastronomie wird auf sich warten lassen. Trotzdem eröffnet am Donnerstag das neue Festspielhaus

Von Hubert Grundner

Wenn nicht alles fertig wird, dann fangen wir halt mit dem an, was wir haben. Ich bin das ja gewohnt", sagt Helmut von Ahnen und wirkt dabei ziemlich entspannt. Aufregung oder gar Hektik ist dem Geschäftsführer des Festspielhauses in diesem Moment jedenfalls nicht anzumerken. Und das, obwohl er mitten auf einer Baustelle steht, die Arbeiter vom Keller bis unters Dach noch am Werkeln sind - und die Eröffnung des Theaters in seinem neuen Domizil am Donnerstag, 28. November, kurz bevorsteht.

Im Laufe seiner Geschichte erfüllte das Haus an der Rosenheimer Straße 192 in Ramersdorf sehr unterschiedliche Funktionen. Ursprünglich als Heizkraftwerk erbaut, diente es nach Ende des Zweiten Weltkriegs dazu, die Wohnungen der GIs in der sogenannten Amisiedlung mit Wärme zu versorgen. Nach dem Abzug der Besatzungstruppen kam dann die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewofag unter und nutzte das Gebäude als Hausmeisterzentrale. Als schließlich nach Ausbruch des Syrien-Kriegs viele Menschen nach Deutschland kamen, wurden dort bis vergangenes Jahr unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sowie Frauen mit Kindern untergebracht. Weshalb sich auch der Einzug der Theaterleute, der ursprünglich schon vor einigen Jahre vorgesehen war, noch einmal verzögerte.

Jetzt aber ist es so weit, seit Januar wird das Gebäude für die Zwecke der Künstler saniert und umgebaut. Die für den Betrieb wichtigsten Räume liegen ebenerdig: Vom Foyer aus links führt die Türe in den Theatersaal, der einmal inklusive der Empore im ersten Stock Platz für 110 bis 120 Zuschauer bieten wird. Vom Foyer aus rechts hingegen gehen künftige Besucher in ein Bistro, das auch noch im ersten Stock über einen Gastronomiebereich verfügt. Bis dort allerdings Gäste bewirtet werden können, wird definitiv noch mehr Zeit vergehen, als bis zur Eröffnung des Festspielhauses bleibt. Zwar stehen bereits Kühlschränke, Herde, Öfen, Spüle und sonstige Küchengeräte herum - zum Zeitpunkt des Besuchs konnten sie aber noch nicht angeschlossen werden.

"Alles ist im Baustellen-Modus", sagt Ahnen halb entschuldigend, halb amüsiert. Und dass er und seine fünf Mitarbeiter ("Jeder macht alles") die Kunst der Improvisation beherrschen, wie es sich für gestandene Bühnenarbeiter gehört, das haben sie in den vergangenen Jahren hinlänglich bewiesen. Sowohl an ihrem bisherigen Standort an der Neuperlacher Quiddestraße als auch mit dem Theaterzelt Lunatico im Ostpark, galt es immer wieder, Schwierigkeiten zu überwinden und mit provisorischen Lösungen zurechtzukommen. Gemessen am Publikumszuspruch und den Kritiken scheint ihnen das zumeist sehr gut gelungen zu sein. Helmut von Ahnen kann also bei diesem Projekt auf einen ziemlich großen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Deshalb rechnet er auch damit, dass es noch mindestens bis nächsten Sommer dauern wird, bis sich der Betrieb im Haus einigermaßen eingespielt hat. Es brauche halt seine Zeit, bis man wisse, welche Räume wofür am besten geeignet seien, sagt er.

Unter den ersten, die das gerade erkunden, sind Lehrer und Schüler der Schauspielschule Yorick. Sie proben bereits in einem Raum im ersten Stock, während daneben in anderen Räumen zum Teil noch Türen oder Leuchten fehlen. In einer Art fließendem Übergang wird also in den nächsten Wochen und Monaten aus einer Baustelle eine Schaustelle.

Hinter den Kulissen, falls man davon in einem Haus, in dem die Bühne noch nicht aufgebaut ist, sprechen darf, wurde auch an anderer Stelle schon fleißig gearbeitet: Das Programm der nächsten Monate steht bereits. Nach der Eröffnung mit zahlreichen Gästen am Donnerstagabend, folgt dann am Freitag, 29. November, die erste "richtige" Theatervorstellung im neuen Festspielhaus. Yorick's Company hat sich für diese besondere Premiere "Was ihr wollt" von William Shakespeare ausgesucht.

Diese Wahl wurde durchaus mit einigem Hintersinn getroffen, wenn man Helmut von Ahnen, der außer als Geschäftsführer auch als Regisseur arbeitet, richtig verstanden hat: Shakespeares Komödie handele ja von der Ankunft in einem fremden Land, von Orientierung in ungewohnter Umgebung und vom Gestalten der gemeinsamen Zukunft. Das ähnele grundsätzlich doch sehr der Situation, in der sich die Festspielhaus-Crew augenblicklich befinde. Weshalb sich die Truppe als Wappentier für die Saison 2019/2020 auch den "Phönix aus der Asche" ausgesucht hat. Der stehe für ein strahlendes und nicht für möglich gehaltenes Comeback. Und genau das will Helmut von Ahnen mit dem Festspielhaus an dem neuen Standort in Ramersdorf schaffen.

© SZ vom 26.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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