Die Lage auf dem Münchner Immobilienmarkt ist inzwischen so angespannt, dass oft schon kleinste Bewegungen der Akteure mittelschwere Beben auslösen. So wie im Fall der Bauvoranfrage des Gemeinnützigen Wohnungsvereins München 1899: Als dessen Mieterinnen und Mieter von den Abriss- und Neubauplänen für das Areal östlich des Loehleplatzes erfuhren, machten sich schnell Ängste breit, günstigen Wohnraum und ein attraktives Quartier zu verlieren. Ebenso schnell gründeten sie aber die Aktionsgemeinschaft "Unser Ensemble", um gemeinsam ihre Interessen zu vertreten. Und so glaubte man beinahe den kollektiven Freudenschrei in Ramersdorf zu hören, nachdem Ende März bekannt geworden war, dass sich das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege dafür ausgesprochen hat, das bereits geschützte Ensemble "Wohnanlagen am Loehleplatz" bis zur Führichstraße hin zu erweitern. Dieser Auffassung hat sich der Landesdenkmalrat angeschlossen, und auch bei der Stadt München wird dieser Schritt laut Landesamt für Denkmalpflege befürwortet.
Für die betroffenen Bewohner aber lautet jetzt vermutlich die entscheidende Frage: Sind damit die Planungen des Wohnungsvereins vom Tisch? Wer sich darauf aber eine konkrete Antwort erwartet, dürfte enttäuscht werden. Auf Anfrage hat das Planungsreferat bestätigt, dass für das betreffende Areal (Führichstraße 18-66, Maria-Lehner-Straße 37-39, Weiskopfstraße 1-7 und 39-43 sowie Wollanistraße) bei der Lokalbaukommission (LBK) im September 2020 ein Antrag auf Vorbescheid zum Neubau einer Wohnanlage (134 Wohneinheiten) mit Tiefgarage eingereicht wurde. Die Untere Denkmalschutzbehörde hatte laut Sprecher Thorsten Vogel die LBK gebeten, eine Entscheidung über den Vorbescheidsantrag auszusetzen, da das Landesamt für Denkmalpflege die Unterschutzstellung der Siedlung prüfe. Mit Bescheid vom November 2020 habe "die LBK diese Zurückstellung nach Art. 15 Abs. 6 Denkmalschutzgesetz für die Dauer von 21 Monaten verfügt". Seitens der LBK sei, so Vogel weiter, nach Ablauf der Zurückstellung über den Antrag zu entscheiden - sofern der Antragsteller daran festhalte und eine Entscheidung wünsche. "In diesem Fall würde zu prüfen sein, ob der inzwischen eingetretene Ensembleschutz des Bestandes dem Neubauwunsch entgegen gehalten werden kann", hält Thorsten Vogel abschließend fest.
Mit anderen Worten: Ob und wie der Ensembleschutz funktioniert, wird man wahrscheinlich erst wissen, falls die Baugenossenschaft einen neuen Anlauf für ihr Projekt starten sollte. Zumindest aber hat die LBK mit ihrer Entscheidung, den Vorbescheidsantrag zurückzustellen, der Aktionsgemeinschaft bis Sommer nächsten Jahres zusätzliche Zeit im Ringen um die Wohnanlagen verschafft.
Im Augenblick herrscht unter den Bewohnern jedenfalls große Freude über die Entscheidung der Denkmalschützer. Das kommt auch in der gemeinsamen Pressemitteilung der Aktionsgemeinschaft "Unser Ensemble am Loehleplatz" und der "Schutzgemeinschaft Ramersdorf" zum Ausdruck. Das Ensemble am Loehleplatz ist für sie "ein städtebauliches Idyll, wie man es in München kaum mehr findet". Es war schon ensemblegeschützt, aber nicht in seiner vollständigen Gestalt. Das habe jetzt das Landesamt für Denkmalpflege geändert und das gesamte Gebiet einschließlich der bislang vom Abriss bedrohten Gebäude unter Schutz gestellt. Die Begründung in Kürze: "Die Wohnanlage am Loehleplatz, zwischen 1907 und 1924 errichtet sowie 1936 bis 1938 erweitert, stellt ein bemerkenswertes Beispiel für genossenschaftliches Bauen in München dar und bildet als solches ein Ensemble."
Der Beschluss des Landesamts für Denkmalpflege sowie die vorherige Empfehlung des Landesdenkmalrates gingen auf eine gemeinsame Initiative ihrer Bürgerinitiativen zurück. Nachdem Pläne bekannt geworden waren, nach denen der Gemeinnützige Wohnungsverein München 1899, dessen Vorgänger das Ensemble ursprünglich zu verdanken ist, den Abriss aller nicht denkmalgeschützten Häuser plane, darunter sämtliche Reihenhäuser an der Führichstraße, aber auch Bauten an der Weiskopf- und Maria-Lehner-Straße, wurde mit einer an Münchens Oberbürgermeister gerichteten Briefkartenaktion sowie mit Plakaten und Presseberichten auf diesen drohenden Verlust aufmerksam gemacht.
Mit der Erweiterung des Ensembleschutzes sei ein wichtiger Schritt getan, um dieses - laut Stadtportal München - Musterbeispiel malerischen Städtebaus, ausgerichtet auf die Ramersdorfer Kirche als Blickziel zu erhalten. "Uns und vielen Bürgerinnen und Bürgern sowie jedem, der einmal durch das kleine Gebiet geschlendert oder geradelt ist, ist schon immer klar gewesen: Ein solches Ensemble gehört unbedingt bewahrt." Bis zu fünfstöckige Wohnbauten bis in den Kern der Siedlung hätten einen nicht wieder gutzumachenden Schaden für Ramersdorf, seinen geschundenen Ortskern und letztlich für ganz München bedeutet. Auch in einer modernen Stadt müsse es Inseln geben, die an das Gestern von Bauen und Wohnen erinnern. Sie zeigten das historische Gesicht der Stadt. Bei der Aktionsgemeinschaft "Unser Ensemble am Loehleplatz" und der Schutzgemeinschaft Ramersdorf hofft man, dass es nicht mehr zu einem "zweiten Uhrmacherhäusl-Verlust" kommt.