Radverkehr in München:Lebensgefährlicher Nahkampf

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Wenn das Rad eine echte Alternative im Berufsverkehr werden soll, braucht München nicht nur schnelle Radwege, sondern auch schnelle Lösungen. Gefahrenstellen gibt es genug.

Kommentar von Frank Müller

Würde in München so mit Straßen oder Schienen umgegangen, wie es mit Radwegen der Fall ist, dann hätten die Verkehrsplaner einen schweren Stand: Straßen würden plötzlich im Nichts enden, Tramgleise abrupt auf den Gehweg gelenkt, Busspuren wären mal breit und dann wieder so schmal, dass kein Gefährt gefahrlos durchkommt. Der Zorn, den solche Zustände auslösen würden, würde im Rathaus für erhebliche Erschütterungen sorgen.

Gemessen daran ist der Ärger der Radfahrer trotz vieler untragbarer Zustände immer noch recht gemäßigt. Man gewöhnt sich halt an alles.

Es gibt kein Teilsystem im städtischen Verkehrsgeschehen, dessen Qualität ähnlich unterschiedlich wäre, wie das Radnetz. Manche Routen sind hervorragend ausgebaut: Wer das Glück hat, zur Arbeit den Isarradweg entlang strampeln zu können, für den verbinden sich Naturerlebnis und zügiges Fortkommen aufs Schönste. In vielen Innenstadtbereichen dagegen ist das Radfahren lebensgefährlicher Nahkampf.

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Daran hat sich auch ein Jahr, nachdem die SZ mit der Hilfe mehrerer tausend Leser und Radler den Problemstraßen-Atlas erstellt hat, wenig geändert. Zu wenig. Die Stadt führt Diskussionen um Hunderte von Millionen Euro teure Verkehrsprojekte wie die Stammstrecke und die Ringtunnel - zu Recht. Wenn sie aber will, dass der Radverkehr die ihm zugedachte wachsende Bedeutung einnimmt und dass Fahrräder eine wirklich ernsthafte Alternative auch im Berufsverkehr werden, dann muss sie sich mehr anstrengen. Die neue Debatte um moderne Radschnellwege geht in die richtige Richtung. Noch wichtiger aber sind schnelle Lösungen für die vielen echten Gefahrenstellen.

Viele Münchner sind abwechselnd mit Autos, Bahnen, dem Rad und zu Fuß unterwegs, entsprechend gleichberechtigt muss der Verkehrsmix in der Stadt aussehen. Manche Debatte ist da viel zu kleinkariert, etwa die, ob in der Rosenheimer Straße das "gute" Radl dem "bösen" Auto Platz wegnehmen darf. Was zählt, ist ein gutes Gesamtnetz: Von dem profitieren alle.

© SZ vom 21.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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