Rad und Bahn:Hindernisfahrt für Pendler

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Verbundfahren mit Problemen: Wer mit seinem Fahrrad die Bahn nutzt, findet nicht immer Platz in den Zügen wie hier am Münchner Hauptbahnhof. (Foto: Lukas Barth)
  • Die Deutsche Bahn verzeichnet im Fernverkehr ein sattes Plus bei den entsprechenden Tickets, und nicht nur Umweltverbände halten diese Art von Verbundfahren für sinnvoll.
  • Trotzdem reicht der Platz in den Zügen oft nicht aus, das Angebot verwirrt - und schon das Abstellen der Fahrräder vor den Bahhöfen kann zum Problem werden.
  • Stadt und MVV kennen viele der Hindernisse - und versuchen mit verschiedenen Ideen dagegen anzugehen.

Von Marco Völklein, München

In der Kombination aus Fahrrad und öffentlichem Nahverkehr steckt eine Menge Potenzial. Nicht umsonst sprechen Verkehrsplaner vom "Umweltverbund", wenn sie die beiden Verkehrsarten meinen. Wer auf das Rad setzt, um zum Bahnhof zu kommen, und dann mit U-, S- oder Regionalbahn weiterreist, der verzichtet aufs Auto - und hilft der Umwelt. Bundesweit kommen etwa fünf Prozent der Reisenden mit dem Rad zum Bahnhof, sagt Dirk Flege von der "Allianz Pro Schiene". In Großräumen wie München dürfte der Anteil höher liegen; dennoch sehen Fachleute künftig noch Luft nach oben. In den Niederlanden nutzen etwa 40 Prozent der Reisenden das Rad als Zubringer.

Doch schon jetzt "haben Städte, Kommunen und die Bahn Mühe, den Ansturm zu bewältigen", räumt Flege ein. In der Tat gehört die Klage über mangelnde Fahrradabstellplätze an den U- und S-Bahnhöfen genauso zum Repertoire von Umwelt- und Radfahrerverbänden wie die über zu wenig Platz in den Waggons.

Um das Problem zu lindern, hatte der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) mit dem ADFC im April 2012 ein eigenes Klapprad entwickelt, das Pendler bequem in die Züge mitnehmen können - und das auch während den Sperrzeiten am Morgen und am Nachmittag, während denen die U- und S-Bahnen tabu sind für Velos. Bisher wurden etwas weniger als 1000 Falträder verkauft.

Ein Klapprad, das auch in den Sperrzeiten mitgenommen werden kann, haben MVV und ADFC entwickelt. (Foto: MVV)

Um noch mehr Pendler zur gemeinsamen Nutzung von Rad und Bahn zu bewegen, hat der MVV zusammen mit dem städtischen Umweltreferat vor kurzem einen Radroutenplaner gestartet. Dieser ist im Internet abrufbar und kann unterwegs per Smartphone genutzt werden. Wer Start- und Zielpunkt eingibt, erhält dann drei verschiedene Routenvorschläge: die schnellste Route, eine "grüne Route" möglichst abseits stark befahrener Straßen, sowie eine "Familienroute", die unter anderem große Kreuzungen meidet. Jede Route kann dabei beliebig mit dem Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln kombiniert werden.

Von einem "weiteren Meilenstein im Umweltverbund" schwärmt MVV-Chef Alexander Freitag - und hofft nun, dass möglichst viele sich zum Umstieg bewegen lassen vom Auto auf Bahn und Rad. "Eine umweltschonende Verkehrsmittelwahl in der Region München war noch nie so leicht." Mit derzeit gut 1000 Zugriffen täglich sei das Angebot "sehr erfolgreich gestartet", sagt Freitag. Und gerade in Zeiten, in denen wenige MVV-Regionalbusse fahren, etwa am Wochenende, sei das Rad "in Ergänzung zur S-Bahn eine ideale Alternative".

Ein ähnliches Ziel verfolgt zudem die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) mit ihrem neuen Radverleihangebot, das am 17. Juli startet. 1200 Mieträder sollen an 125 Stationen zur Verfügung stehen. Zudem werden die Nutzer die Räder innerhalb eines Teils der Stadt auch an jeder Straßenecke abstellen können. Ausleihe, Abrechnung und Rückgabe läuft per Smartphone. Die Stadt fördert den Start des Systems mit mehreren Millionen Euro.

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Vielen Fahrradlobbyisten aber reicht das nicht. So verweist neben dem ADFC auch der Bund Naturschutz auf das Vorbild Berlin, wo Radfahrer ihre Fahrzeuge sogar in den Straßenbahnen transportieren können, Sperrzeiten wie in den Münchner U- und S-Bahnen gibt es dort nicht. Und in der Schweiz oder Kanada haben Verkehrsbetriebe seit Jahren an ihren Bussen spezielle Ständer, genannt "Bike-Racks", montiert, in denen die Kunden ihre Fahrräder einhängen können. Verglichen mit diesen Städten, sagt Martin Hänsel vom Bund Naturschutz, müsse der MVV noch einiges aufholen. "Die Fahrradmitnahme muss einfacher und besser werden, vor allem auch in der Hauptverkehrszeit."

Doch dagegen sprechen sich alle Verantwortlichen bei MVV, MVG und S-Bahn dezidiert aus. Schon heute gebe es "Nutzungskonflikte" in Bussen und Bahnen, weil Radler, Rollstuhlfahrer, Ältere mit Rollatoren und Eltern mit Kinderwägen um den raren Platz rangeln. An einen Wegfall der Sperrzeiten sei da nicht zu denken, sagt MVG-Planungschef Gunnar Heipp. Eher an das Gegenteil. Um nicht noch mehr Konflikte zu bekommen.

© SZ vom 23.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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