Pullach:Wenn die Worte fehlen

Lesezeit: 2 min

Kim McMahon aus Pullach hat der Trauer über die Opfer des Amoklaufs ein Symbol gegeben: das Münchner Kindl im Regen

Von Anna Hordych, Pullach

In weniger als einer Viertelstunde hat sie ein Motiv gefunden, das Tausenden aus der Seele spricht: Als sie am Freitagabend die Schreckensnachrichten von den Schüssen im Olympia-Einkaufszentrum vernahm, fing Kim McMahon aus Pullach an zu zeichnen. Sie saß vor dem Fernseher, sah die Tagesschau und nahm den Bleistift zur Hand, um das Gesehene, den "Schock" für sich zu übersetzen. Heraus kam eine Skizze des Münchner Kindls - in ungewohnter Pose, als Symbol der Trauer. Leicht zu erkennen an der schwarzen Kutte mit gelbem Innengewand, hockt das Maskottchen in sich zusammengesunken. Regen prasselt auf die zierliche Figur, deren fahles Gesicht von der weiten Kapuze weitgehend verdeckt wird.

"Es war zu schlimm, um passende Worte zu finden", sagt die 18- jährige Abiturientin, deren Zeichnung über das Wochenende weit mehr als hundert Mal in sozialen Online-Netzwerken geteilt wurde. "Bilder sprechen manchmal aus, was schwierig zu fassen ist." Die tieftraurige Gestalt, die in den Händen eine schlaffe Blume mit herabhängender Blüte hält, hat einen Nerv getroffen. Nachdem Kim gegen 20 Uhr ihr Bild bei Facebook gepostet hatte, ereilten sie Kommentare und Nachrichten von völlig Fremden, die ihren eigenen Gefühlszustand in der Zeichnung ausgedrückt sahen. Eigentlich hatte Kim das Bild an ihre Freunde senden wollen, um ihnen ein liebes Zeichen zu schicken. "Hoffe allen geht es gut", schrieb sie in ihrem Beitrag zur Skizze. Als sie mitbekam, auf welch großen Anklang die Zeichnung stieß, freute sie sich, "Gleichzeitig wusste ich natürlich, dass es der falsche Anlass für große Freudensprünge ist."

Für die 18 -Jährige ist es die erste Erfahrung einer breiten Öffentlichkeit; auch wenn sie ihre Aquarellzeichnungen öfter einmal mit ihren Facebook-Freunden teilt. Klickt man sich online durch die Reihe ihrer Kunstwerke, folgen dort grobstrichige Tierskizzen auf detaillierte Landschaftsporträts, auch Gesichtsprofile zählen dazu.

Seit sie in diesem Frühsommer ihr Abitur am Dante-Gymnasium in München abgeschlossen hat, bleibt ihr mehr Zeit, um zu üben: "Ich bin momentan entweder in Zeichenkursen unterwegs oder daran, den Führerschein zu machen", erklärt Kim. Eigentlich hätte zum Abschluss ihrer Schulzeit an diesem Montag der diesjährige Abi-Streich stattfinden müssen. Wegen der Vorkommnisse erschien das undenkbar. Stattdessen fertigte Kim ein erneute, größere Version ihrer Zeichnung an, welche an der Fassade des Dante-Gymnasiums angebracht wurde.

Nach diesem Sommer möchte die 18-Jährige mit ihrer Zwillingsschwester Maya verreisen, die ebenso gerne zeichnet. Die Schwestern träumen von Asien, sie würden dort gerne weiter an ihrem Stil feilen. Auch zum Studium zieht es Kim in die Ferne. Sie überlegt, den Spuren ihres amerikanischen Vaters zu folgen und später wie er in Kalifornien zu studieren. Denn einem Fach wie "Character Design" kann man nur in der Heimat von Walt Disney nachgehen. In den USA blicken Animationsfilm und Comic auf eine andere Tradition zurück.

© SZ vom 27.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: