Prozess wegen Volksverhetzung:Brauner Blackout beim Public Viewing

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Ein Elektriker hat beim Public Viewing ein Hakenkreuz präsentiert, das auf seinen Rücken gemalt war. Nun musste sich der 32-Jährige wegen Volksverhetzung vor Gericht verantworten. An seinen Auftritt wollte er sich nicht erinnern. Beim Amtsrichter kam er damit nicht durch.

Von Christian Rost

Tausende Menschen saßen am 9. Juni 2012 im Biergarten im Hirschgarten, um sich beim Public Viewing das Europameisterschaftsspiel Deutschland gegen Portugal (1:0) anzusehen. Während die Übertragung lief, stieg gegen 21 Uhr ein 32-jähriger Elektriker auf eine Bierbank in der vierten Reihe vor der Leinwand und präsentierte der Menge ein auf seinen Rücken gemaltes Hakenkreuz.

Auf die Stirn hatte er sich zudem von einem Kumpel SS-Runen malen lassen. Das Publikum quittierte diese üble Zurschaustellung rechter Gesinnung mit "Nazis raus"-Rufen. Die Polizei nahm Stephan H. und zwei seiner Kameraden fest. Am Mittwoch musste sich H. wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung am Amtsgericht verantworten.

Staatsanwalt Peter Preuß hielt dem Angeklagten überdies vor, mit seinen beiden männlichen Begleitern, die teils schon zu Bewährungsstrafen verurteilt wurden, das sogenannte "Auschwitz-Lied" mit Anspielung auf die Türkei angestimmt zu haben. Er habe damit öffentlich die Opfer des Konzentrationslagers verhöhnen und zudem türkischen Mitbürgern ein gleichwertiges Lebensrecht absprechen wollen, so der Ankläger.

H. trug ein Hemd mit der Aufschrift "Doberman"

H. bestritt sein Verhalten nicht, weil "ich mich an gar nichts mehr erinnern kann". Der Angeklagte sagte, er habe an jenem Tag ein starkes Schmerzmittel gegen Rückbeschwerden eingenommen und zudem viel Bier getrunken, obwohl er Alkohol nicht vertrage. Bei der Polizei kam er nach seiner Festnahme auf rund 1,5 Promille. Angeblich litt er deshalb vom Nachmittag des 9. Juni bis zum Mittag des Folgetages an einer Erinnerungslücke.

Amtsrichter Marco Peißig vernahm mehrere Zeugen zu den Vorgängen im Hirschgarten. Ein 16-Jähriger, der am Tisch neben H. gesessen war, bestätigte das neonazihafte Gehabe des Angeklagten. Auch ein Security-Mitarbeiter des Biergartens erinnerte sich an H., der ein Hemd mit der Aufschrift "Doberman" getragen habe.

Die Marke ist bei Skinheads beliebt. Trotzdem beharrte der Angeklagte darauf, mit rechtem Gedankengut nichts zu tun zu haben: Er lebe seit Jahren in der Schweiz und habe auch ausländische Freunde, sagte er. Staatsanwalt Preuß hielt H. daraufhin vor, dass sich der Verfassungsschutz schon einmal für ihn interessiert habe.

Eine Sachverständige vom Institut für Rechtsmedizin nahm zur angeblichen Erinnerungslücke H.s Stellung. Sie kam zu dem Schluss, dass weder durch den Alkohol noch durch Medikamente ein stundenlanger Blackout herbeigeführt werden könne.

Mehrere Zeugen hatten außerdem ausgesagt, dass sich H. trotz seines Bierkonsums noch relativ sicher bewegen und artikulieren konnte. Die Ehefrau von Stephan H., die ebenfalls mit im Biergarten war, versuchte indes, ihn nach Kräften zu entlasten. Von Hakenkreuzen und SS-Runen will sie nichts mitbekommen haben: "Ich war ja auch auf dem Klo zwischendurch."

Der Staatsanwalt forderte eine zehnmonatige Bewährungsstrafe, die Verteidigung einen Freispruch. Das Gericht verhängte eine siebenmonatige Freiheitsstrafe mit Bewährung.

© SZ vom 06.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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