Prozess um Mordversuch mit Maßkrug:Ausgerastet im Rausch

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Bislang war der Chemiker aus Köln nie mit Gewalttaten aufgefallen, doch im Rausch rastete er völlig aus. Auf dem Oktoberfest prügelte er mit einem zersplitterten Maßkrug auf einen anderen Gast ein, nun muss er sich wegen versuchten Mordes vor Gericht verantworten. Das Gesicht seines Opfers ist vielleicht dauerhaft entstellt.

Christian Rost

Dass das Oktoberfest nicht immer ein friedliches Volksfest ist, sondern auch eine Saufveranstaltung mit verheerenden Folgen, belegen alljährlich zahlreiche alkoholbedingte Gewalttaten auf der Wiesn. Am Schwurgericht hat an diesem Montag ein Prozess begonnen, der auf besonders drastische Weise zeigt, wie Bier und Aggression das Leben zweier Menschen völlig verändern können.

Im Rausch gerieten in einem Festzelt ein Ingenieur und ein Chemiker aneinander. Der eine erlitt etliche Schnittwunden und muss befürchten, dauerhaft durch Narben im Gesicht entstellt zu sein. Der andere, der mit einem zersplitterten Maßkrug zugeschlagen haben soll, sitzt in Untersuchungshaft und muss sich wegen versuchten Mordes verantworten.

Vier Freunde aus Köln hatten sich eigens Lederhosen besorgt vor ihrer Abreise zum Oktoberfest nach München. In Ebenhausen bezogen sie ein Hotel, standen am Morgen des 25. September 2010 früh auf, um sich gegen 8 Uhr in die Schlange vorm Augustiner-Zelt einzureihen. Um 13 Uhr waren die vier Männer am Ziel: Sie bekamen im Zelt einen Tisch zugewiesen, bestellten die ersten Maß, aßen Leberkäs' mit Kartoffelsalat und wechselten in den folgenden Stunden noch zweimal die Tische. "Wir haben viele Leute kennengelernt", sagt Florian D. Als er und seine Kumpel gegen 21.30 Uhr im Mittelschiff auf Bierbänken standen und zur Musik tanzten, hatten sie jeder sechs bis acht Maß getrunken.

In diesem Zustand ist D. nach Ansicht der Münchner Staatsanwaltschaft völlig ausgerastet. Mit seinem laut Anklage "raumfordernden Tanzstil" soll er zwei Frauen neben sich angerempelt und auf deren Beschwerden mit Beleidigungen reagiert haben: "Was kann ich dafür, wenn ihr so einen fetten Arsch habt." Ein 32-jähriger Ingenieur versuchte noch, die Situation zu beruhigen und bat D., den Platz zu wechseln.

Der Chemiker, der bislang nie mit Gewalttaten aufgefallen war, allerdings auch noch nie zuvor so viel Bier getrunken hatte, packte den Streitschlichter am Kragen, verlor das Gleichgewicht, und die beiden Männer krachten auf den Zeltboden. Der Ingenieur fiel auf D., der noch seinen zerbrochenen Glaskrug in der Hand hielt und damit sofort zuschlug. Staatsanwältin Nicole Selzam sagte im Prozess, der Angeklagte habe mit der Attacke gegen den Kopf seines Kontrahenten dessen Tod billigend in Kauf genommen. Der Mann wäre womöglich verblutet, hätten sich nicht sofort Ärzte um ihn gekümmert.

Florian D. musste zur Wiesnwache, kam nach der Vernehmung frei und im Mai 2011 dann doch in Haft - die Staatsanwaltschaft ermittelte inzwischen wegen versuchten Mordes. Zum Prozessauftakt bedauerte er die Tat. 18.000 Euro Schmerzensgeld hat er dem Ingenieur bereits bezahlt. An die Schläge mit dem Krug könne er sich allerdings nicht mehr erinnern, so D. Den Black-out erklärt er sich mit der Wechselwirkung eines Bluthochdruckmedikaments, das er einnehme und das sich nicht mit Alkohol vertrage. Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 14.02.2012/afis - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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