Prozess:"Sie kann immer nur ein oder zwei Minuten darüber sprechen"

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  • Daniel A. muss sich vor dem Landgericht München I wegen sexuellem Missbrauchs seiner Tochter verantworten.
  • Er soll die heute 19-Jährige in ihrer Kindheit mehrfach vergewaltigt und begrapscht haben.
  • Nun hat der Freund der jungen Frau ausgesagt.

Von Susi Wimmer

Nein, sagt die Mutter, sie habe nichts bemerkt. Die Tochter habe sich nicht auffällig verhalten, sei nicht abgemagert, habe sich nicht geritzt. Nur einmal, da habe das Mädchen gesagt, sie müsse ihr was erzählen. "Ich habe sie gefragt, ob sie schwanger sei, Drogen nehme oder Probleme in der Ausbildung oder mit dem Freund habe." Das Mädchen verneinte. Und verstummte. "Ich habe dann nicht weiter nachgefragt, weil ich mir nichts Schlimmeres vorstellen konnte", sagt die Mutter. Worüber die heute 19-Jährige mit ihrer Mutter bis dato nicht reden kann, ist der Vorwurf, dass ihr Vater sie im Kindesalter über Jahre hinweg begrapscht und vergewaltigt haben soll.

"Ich habe es irgendwann selbst erraten", sagt der Freund von Luisa (Name geändert). Er sitzt im Zeugenstand vor dem Landgericht München I. Links neben ihm, auf der Anklagebank, lauscht Daniel A. seinen Worten und protokolliert alles mit. Daniel A. ist der Mann, der seine leibliche Tochter sexuell missbraucht haben soll. Er leugnet die Tat, soll bei seinen polizeilichen Aussagen seine Tochter als Verrückte hingestellt haben. Und er bezichtigt sie, dass sie ihn begrapscht haben soll.

Er habe es immer schon ein wenig merkwürdig gefunden, erzählt der Freund, dass Luisa am Anfang ihrer Beziehung vor zwei Jahren von guten Erinnerungen an ihren Vater erzählte - und gleichzeitig sagte: "Ich hasse ihn!" Luisa habe panische Angst, abends auf dem Heimweg vergewaltigt zu werden. "Ich hab ihr immer gesagt: ,Es passiert nichts, wir sind in Deutschland.'" Außerdem habe sie überreagiert, wenn im Fernsehen von Vergewaltigung die Rede war. "Und ich hatte das Gefühl, dass sie mir was verheimlicht."

Irgendwann habe er sie direkt gefragt: "Hat Dein Vater Dich vergewaltigt?" Anfangs sei keine Antwort gekommen, nur Tränen. Peu à peu habe sie erzählt, wie er zu ihr in die Dusche kam und sie beim Waschen angegrapscht habe. Er habe ihr immer eingeredet, dass das nichts Schlimmes sei, dass alles so richtig sei und er nichts Falsches mache. Dann habe er ihr Geschenke gemacht. "Sie kann immer nur ein oder zwei Minuten darüber sprechen, dann bricht sie zusammen und weint eine halbe Stunde lang. So, wie man normalerweise nicht weint", erzählt der Freund.

Luisa raste aus, sagt er, wenn man sie am Hinterkopf zu sich herziehe. So wie ihr Vater sie gepackt und gezwungen habe, ihn oral zu befriedigen. "Wenn sie nicht mitmachte, soll er aggressiv geworden sein", so der Freund. Überhaupt seien Luisa und ihre Brüder in der Kindheit wegen jeder Kleinigkeit vom Vater "sehr stark" geschlagen worden. Bis heute gebe sich das Mädchen die Schuld, dass die Familie zerstört sei. "Aber ich habe ihr zur Anzeige geraten", sagt der Freund. "Wer sich an der eigenen Tochter vergreift, vergreift sich auch an anderen." Luisa lebt mittlerweile in ihrer eigenen Wohnung. Über das Erlebte, so sagt der Freund, könne sie bis heute nicht einmal mit einem Therapeuten sprechen. Das Urteil wird an diesem Dienstag verkündet.

© SZ vom 29.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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