Prozess nach Reiserücktritt:Terrorangst rechtfertigt keine kostenlose Stornierung

Lesezeit: 1 min

Beliebtes Touristenziel: das jüdische Viertel von Marrakesch. (Foto: dpa)
  • Ein Ehepaar aus Nürnberg hat gegen einen Münchner Reiseveranstalter geklagt - das Paar war "wegen der gesamtpolitischen Lage" von einer Reise nach Marokko zurückgetreten.
  • Die fällige Stornogebühr wollten die Urlauber nicht bezahlen.
  • Die Amtsrichterin wies die Klage ab - das Paar aus Franken muss die rund 400 Euro zahlen.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Es gibt zwar eine allgemein bekannte Terrorgefahr in den Ländern des arabischen Frühlings, doch das rechtfertigt nicht den Rücktritt von einer bereits gebuchten Reise wegen "höherer Gewalt": In diesem Sinne hat das Amtsgericht München rechtskräftig die Klage eines Ehepaars aus Nürnberg gegen einen Münchner Reiseveranstalter abgewiesen. Die Franken wollten die fällige Stornogebühr nicht bezahlen.

Es sollte eine Rundreise durch Marokko werden, mit Besichtigungen in Rabat, Marrakesch und Casablanca. Doch die für April 2015 geplante Tour erschien den Eheleuten zu riskant. Sie befürchteten Unruhen und hatten auch Sorge, dass die Ebola-Epidemie auf den Norden des Kontinents übergreifen könnte.

Keine konkrete Gefährdungslage

"Wegen der gesamtpolitischen Lage" trat das Paar von der Reise zurück. Die dramatischen und nicht vorhersehbaren Terroraktionen hätten alles verändert, meinten sie. Doch der Veranstalter habe seine Kunden weder vor noch bei der Reisebuchung in irgendeiner Form informiert. Die Reise GmbH erklärte dazu: "Eine konkrete Gefährdungslage hat nicht vorgelegen". Den Nürnbergern stellten sie die Stornierung deshalb mit mehr als 400 Euro in Rechnung. Da klagten die Kunden.

Die Amtsrichterin wies die Klage ab: "Die erhöhte Gefahr terroristischer Anschläge mit islamistischem Hintergrund hat in sämtlichen nordafrikanischen Ländern seit dem sogenannten arabischen Frühling 2011 und der zunehmenden Destabilisierung Libyens bestanden", sagte sie. "Insoweit handelte es sich um eine Problematik, die nicht nur auf der Seite des Auswärtigen Amtes den entsprechenden Sicherheitshinweisen, sondern auch den aktuellen Presseveröffentlichungen und den Berichterstattungen im Fernsehen und Rundfunk entnehmbar war."

Der Reiseveranstalter muss nicht aufklären

"Höhere Gewalt" dagegen seien etwa Epidemien, Naturkatastrophen oder bürgerkriegsähnliche Zustände in einem Land. Nach Meinung des Gerichts ist davon das allgemeine Lebensrisiko abzugrenzen - "das heißt allgemeine politische Krisen, die schon seit Längerem bestehen und die die Durchführung der konkreten Reise nicht verhindern", stellte die Richterin fest. Sie billigte den Klägern zwar zu, dass sich die Sicherheitslage insbesondere durch den IS-Terrorismus möglicherweise verschlechtert habe. "Dies gilt jedoch nicht nur für Marokko, sondern auch für eine ganze Reihe anderer Länder, auch für Europa", stellte das Gericht fest.

Darüber müsse der Reiseveranstalter aber nicht aufklären: Zum einen könne nicht sicher beurteilt werden, wie sich die konkrete Sicherheitslage in diesen Ländern entwickelt, zum anderen sei der Veranstalter weitaus weniger kompetent dafür als staatlichen Stellen.

© SZ vom 23.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: