Prozess:In den Tod geschubst

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Aus einem völlig nichtigen Grund geraten zwei Männer vor der Kultfabrik in Streit - kurz darauf ist einer von ihnen tot. Nun steht ein 26 Jahre alter Mann vor Gericht.

Von Andreas Salch

Angeblich rührt er keinen Alkohol mehr an. Doch es gab auch andere Zeiten. Da zog Nicholas S. am Wochenende mit seinen Kumpels los und trank bis in den Morgengrauen. Am nächsten Tag habe er dann immer einen "fürchterlichen Brand" gehabt. Auch das Wochenende am 18. Dezember 2015 begann Nicholas S. so, wie er es einmal gewohnt war. Er schüttete in sich hinein, was er konnte. Am Morgen des 19. Dezember aber war alles anders. Ein junger Mann war lebensgefährlich verletzt. Nicholas S. soll schuld daran sein. Seit diesem Donnerstag muss sich der 26-jährige Anlagenmechaniker vor der 2. Strafkammer am Landgericht München I verantworten. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen Körperverletzung mit Todesfolge erhoben.

Als Nicholas S. auf der Anklagebank Platz genommen hat, wirkt er wie erstarrt. Bis die Verhandlung beginnt, blickt er nur nach links auf den Richtertisch. Kein einziges Mal nach rechts. Dort sitzt die Mutter von Manuel R.

In den frühen Morgenstunden des 19. Dezember 2015 waren Nicholas S. und der damals 36-jährige R. vor einem Club in der Kultfabrik an der Grafinger Straße aus einem völlig nichtigen Grund aneinandergeraten. Beide waren erheblich betrunken. Nicholas S. schubste Manuel R. Er war Sänger und Gitarrist der Münchner Indie-Band Boy Android. Manuel R. fiel nach hinten um und prallte mit dem Hinterkopf gegen eine Hauswand. Nicholas S. lief weg und trank in Lokalen in der Innenstadt weiter.

Manuel R. wurde in ein nahe gelegenes Krankenhaus gebracht. Da er keine äußerlichen Verletzungen hatte, soll er nur zur Ausnüchterung aufgenommen worden sein. Doch er wachte nicht mehr auf. Seit seiner Einlieferung waren inzwischen 14 Stunden vergangen. Der 36-Jährige wurde ins Klinikum Bogenhausen verlegt. Erst jetzt wurde festgestellt, dass er eine lebensgefährliche Hirnblutung hatte. Es kam zu einer Notoperation. Doch die Ärzte konnten Manuel R. nicht mehr retten. Er starb am 2. Januar vergangenen Jahres an den Folgen seiner Verletzungen, ohne zuvor aus dem Koma erwacht zu sein.

Vor der mutmaßlichen Tat will Nicholas R. zwei Liter Rotwein, an die zehn Bier, mehrere Rüscherl, Met sowie vier bis fünf Longdrinks getrunken haben. Der Vorsitzende, Richter Norbert Riedmann, fragte angesichts dieser schier unglaublichen Mengen: "Wo säuft man das alles hin?" Nicholas S. antwortete: "Ich weiß nicht, wo ich das alles hingesoffen habe." Ihm sei nie richtig bewusst gewesen, wie viel er trinke.

Manuel R. hatte an jenem Abend in der Kultfabrik mit Freunden einen Junggesellenabschied gefeiert. Nicholas S. kannte er nicht. Er sah ihn in jener Nacht das erste Mal. Vor dem verhängnisvollen Schubser des Angeklagten sollen sich die beiden darüber gestritten haben, ob man noch mal in einen Club hineinkommt, wenn man bereits rausgeflogen ist.

© SZ vom 05.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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