In Sitzungssaal 232 steht ein Mann wegen Handels mit Betäubungsmitteln vor Gericht. Im Raum 219 wird über eine schwere Körperverletzung verhandelt. Doch so viel Rummel wie vor Saal 221, wo sich ein 74-jähriger Rentner verantworten muss, herrscht nirgends.
Im Amtsgericht München wird ein Rentner verurteilt, der eine Katze umgebracht hat. Vor der Tür demonstrieren aufgebrachte Tierschützer.
(Foto: dpa)Etwa 80 Tierschützer drängen sich vor dem Saal, der in einem dunklen Trakt des Amtsgerichts München an der Nymphenburger Straße liegt. Ein älterer Herr hält ein Plakat hoch: "Lebenslang Irrenhaus", steht darauf. Am unteren Bildrand baumelt ein Mann am Galgen. Eine Frau in einem zu weiten gelben Pullover meint: "Das konnte sich ja nicht wehren, das arme Viecherl. Wir sollten mit Steinen nach ihm werfen!" Als der Angeklagte im Gerichtssaal erscheint, rufen die Zuschauer laut: "Pfui", "Mörder" und: "Quälen sollte man ihn!"
Der Angeklagte trägt eine alte, braune Lederjacke und eine dunkle Sonnenbrille. Die beiden Hände hält er sich schützend vors Gesicht. Er ist angeklagt wegen Verstoßes gegen das Tierschutzrecht. Er soll an Weihnachten 2010 im Münchner Stadtteil Moosach eine Katze zu Tode gequält haben. Dafür ist im deutschen Recht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vorgesehen. Doch vielen Tierschützern würde auch die Höchststrafe nicht weit genug gehen.
Am Ende kommt der Tierquäler mit zehn Monaten auf Bewährung davon. Als der Richter das Urteil verkündet, sind die Buh-Rufe dementsprechend laut. "Feigling", hallt es aus dem hinteren Teil des Saales in Richtung Richter. Eine Frau ruft "Du Sau" - und wird von einem Polizisten hinausgeführt. In der Urteilsbegründung heißt es: Es habe sich um keine Spontantat gehandelt. "Der Angeklagte quälte die Katze aus Rohheit und Gefühllosigkeit." Das Urteil nimmt der Rentner regungslos auf.
Der Mann ist gesundheitlich angeschlagen. Immer wieder zucken seine Gesichtszüge. Am ersten Prozesstag vor wenigen Tagen gestand der Rentner die Tat: "Ich habe sie ertränkt", sagte er. "Warum, weiß ich selber nicht." Kater Rocco hatte in den Tagen vor der Tat angeblich drei Amseln in seinem Garten getötet. Deswegen habe der Vogelliebhaber eine Marderfalle aufgestellt, in die Katze tappte. Der Rentner warf Rocco mitsamt der Falle in eine Wassertonne - und traktierte das Tier mit einem Wasserschlauch. Eine Nachbarin hörte die Schreie der Katze und rief die Polizei. Als die Tierrettung eintraf, war Rocco bereits tot.
Tierschützer fordern "keine Gnade für den Katzenmörder"
An diesem zweiten Verhandlungstag schildert ein Polizist, in welchem Zustand die Beamten die Katze beim Eintreffen vorfanden. Als er von den Verletzungen am Hals und an den Augen spricht, rufen die Zuschauer dazwischen: "Mei" oder "Wahnsinn". Auch der Besitzer der Katze sagt kurz aus, er wird von den Zuschauern mit Applaus aus dem Gerichtssaal begleitet.
Der Fall hatte weit über München hinaus für Schlagzeilen gesorgt. Aufgebrachte Bürger hängten im Stadtteil Moosach Plakate auf und demonstrierten in der Nähe des Tatortes gegen die Tierquälerei. Auch vor dem Urteil protestierten rund 50 Münchner vor dem Amtsgerichtsgebäude, ehe sie in den Gerichtssaal zogen.
Tierschützer in ganz Deutschland fordern immer wieder, dass Tiere vor Gericht nicht wie eine Sache behandelt werden sollen. Deswegen wollen die Anwesenden im Amtsgericht "keine Gnade für den Katzenmörder". Ihre Befürchtung, der Angeklagte würde wieder einmal mit einer Geldstrafe oder mit Bewährung davonkommen, erfüllt sich.