Prozess am Jugendgericht:Tod im Tunnel

Lesezeit: 2 min

Im Suff stemmen zwei junge Männer die Türen einer U-Bahn auf, ihr 28-jähriger Freund stürzt bei voller Fahrt aus dem Waggon und stirbt. Bis heute sitzt der Schock bei den beiden tief. Nun hat sie das Jugendgericht verurteilt.

Von Christian Rost

Sie haben gewaltsam eine Tür in einer fahrenden U-Bahn geöffnet, ihr Freund fiel hinaus und starb. Die beiden jungen Männer im Alter von 21 und 22 Jahren, die ohnehin schwer an ihrer Schuld tragen, mussten sich am Donnerstag wegen dieses tragischen Ereignisses in der Nacht zum 1. April 2012 in der U 5 vor dem Münchner Jugendgericht verantworten. Obwohl das Opfer eine erhebliche Mitschuld trug am tödlichen Ausgang dieses nächtlichen Ausflugs einer Geburtstagsrunde, wurden die Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung und eines fahrlässigen, gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr verurteilt.

Der ältere Angeklagte feierte in jener Nacht seinen 21. Geburtstag nach. Eine Gruppe von sechs Freunden traf sich zunächst in einer Wohnung in Riem zum "Vorglühen", wie Zeugen berichteten. Dabei, so räumten auch die Angeklagten ein, sei viel Alkohol getrunken worden. Besonders viel erwischte das spätere Opfer: Der 28-jährige Bauschlosser verlor absichtlich bei einem Trinkspiel und konsumierte binnen fünf Stunden etwa 0,9 Liter Whisky und kam auf 2,9 Promille.

Auch die Angeklagten erreichten stattliche Pegel - der jüngere maximal 1,4 Promille, der ältere sogar 2,5 Promille, wie ein Rechtsmediziner berechnete. Derart betrunken nahm die Gruppe nach Mitternacht zunächst die U 2 zum Innsbrucker Ring und dann die U 5 zum Ostbahnhof. Ziel war die Kultfabrik, wo sie weiterfeiern wollten.

Bereits auf der ersten Fahrt demonstrierten die beiden geständigen Angeklagten, wie sich Türen in der U-Bahn mit massivem Kraftaufwand öffnen lassen. Sie boten einem Freund an, während der Fahrt "hinauszupinkeln". Der lehnte ab, doch schon nach dem Umsteigen in die U 5 hantierten der Industriemechaniker und der jüngere Elektroniker wieder an einer Tür. Der Mechaniker war bereits 2006 mit einer solchen Aktion der Polizei aufgefallen, wurde aber nicht belangt dafür, weil niemand zu Schaden gekommen war.

Plötzlich war der Freund weg

Diesmal allerdings erhob sich der betrunkene 28-Jährige von seinem Sitzplatz, wankte zur Tür und streckte eine Hand durch den 20 bis 30 Zentimeter breiten Spalt hinaus. Dann steckte er den Kopf hindurch und drückte die Tür weiter auf. "Hätten die Angeklagten die Tür nicht aufgemacht, wäre er gar nicht hingegangen und noch am Leben", sagte Richterin Sigrun Broßardt in der Urteilsbegründung. Der Vater des Opfers hatte - mit den Tränen kämpfend - diesen Satz zuvor in der Verhandlung gesagt.

Der 28-Jährige hatte also den Spalt in der Tür noch vergrößert und winkte weiter ins Dunkel des Tunnels, während ihn seine Freunde - auch die beiden Angeklagten - zurückziehen wollten. Seine Jacke riss dabei ein. Plötzlich war der Freund weg. Ein Zeuge aus der Gruppe sagte, er habe nur noch seine Füße gesehen. Und dann nichts mehr. Das Opfer wurde durch den Tunnel geschleudert. Für den Mann kam jede Hilfe zu spät. Gegen 3 Uhr stellte eine Notärztin den Tod fest - Ursache: Schädelbruch.

Die Angeklagten waren völlig geschockt und denken noch jeden Tag an den Unfall. Mit der U-Bahn fahren sie nicht mehr. "Gestraft fürs Leben" seien die Jungs, so der Vater des Opfers. Er erhob schwere Vorwürfe gegen die Münchner Verkehrsgesellschaft. Weshalb keine Sicherheitsmechanismen für solche Fälle in den Zügen eingebaut seien, rief er verzweifelt. Im Internet kursierten seit Langem Videos, die Jugendliche vor offenen Zugtüren bei voller Fahrt zeigten. Der 21-Jährige muss nach Jugendrecht 1500 Euro und sein Freund, dem wegen des Alkohols verminderte Schuldfähigkeit zugestanden wurde, 3000 Euro Geldstrafe zahlen.

© SZ vom 07.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: