Proteste in München:"Die einzige Sprache, die Siemens versteht"

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Widerstand gegen den Stellenabbau bei Siemens: In München demonstrieren 700 Mitarbeiter - und wünschen sich ihren Chef auf die Schulbank.

Steve Przybilla

Eine bessere Steilvorlage hätte Peter Löscher den Demonstrierenden gar nicht liefern können: "Er sollte die Ethik vorleben", sagt Ulrike Schröder über den Siemens-Chef, der Anfang des Monats angekündigt hatte, einen Lehrstuhl für Wirtschaftsethik zu sponsern. So wie die Betriebsratsvorsitzende beim Siemens-IT-Dienstleister SIS greifen auch andere Redner den Gedanken auf. "Das Geld sollte er lieber in einen vernünftigen Sozialplan stecken", protestiert Horst Lischka, Chef der IG Metall München. Und der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Markus Rinderspacher, findet, dass Löscher im Hörsaal "in der ersten Reihe Platz nehmen muss".

Die Carl-Wery-Straße im Südosten Münchens: Der Widerstand gegen den geplanten Stellenabbau beim Elektronikkonzern Siemens formiert sich. Vergangene Woche hatte das Unternehmen angekündigt, deutschlandweit etwa 2000 der mehr als 9000 Stellen bei der Sparte SIS zu streichen.

Gegen die Ausgliederung

Wie viele von den 3500 Beschäftigten es in München trifft, ist unklar - etwa 800 von ihnen versammeln sich nun am Montagmittag vor den Werkstoren, um gegen die Ausgliederung zu demonstrieren. Ihre Utensilien: Trillerpfeifen, Warnstreik-Westen und Buttons mit der Aufschrift "SIS gehört zu Siemens".

"Die Stimmung in unserer Abteilung liegt einen halben Meter unter dem Tiefpunkt", klagt Thomas Graumann, der seit zehn Jahren bei Siemens arbeitet. "Wir wissen schon seit Oktober, dass wir ausgelagert werden. Als wir am Donnerstag über die Höhe der Kürzungen informiert wurden, waren wir aber mehr als schockiert."

Die schlechte Informationspolitik macht den Mitarbeitern zu schaffen: "Niemand sagt uns etwas", sagt Graumann, "stattdessen bekommen wir die immergleichen schwammigen Phrasen zu hören." Gerüchten zufolge sollen allein in Perlach 900 Arbeitsplätze gefährdet sein.

Streik als letztes Mittel

"Hoffentlich werden wir von Aktion zu Aktion mehr Teilnehmer", sagt Software-Entwickler Andreas Nützel mit Blick auf die kommenden Wochen, in denen weitere Proteste geplant sind. "Wir wollen auf keinen Fall an die Börse und möglichst viele Arbeitsplätze erhalten", sagt der SIS-Mitarbeiter. Derweil appelliert die IG Metall an die Beschäftigten, sie die Verhandlungen mit dem Konzern führen zu lassen.

"Wenn sich Angst in Widerstand verwandelt - das ist die einzige Sprache, die Siemens versteht", sagt IG-Metall-Gewerkschafter und SPD-Stadtrat Horst Lischka. Als letztes Mittel wolle man notfalls auch streiken, kündigt Lischka an.

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