Projekt:Neuperlach, neu vermessen

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Bei einem Kooperationsprojekt erkunden Schüler mit Einrichtungen der Jugendarbeit den Stadtteil; ihre Wünsche und Anregungen sollen in die Politik einfließen. Überraschend ist dabei, was viele Kinder über ihr Viertel nicht wissen

Von Hubert Grundner, Neuperlach

Ein Druck aufs Knöpfchen, und an der Polizeistation leuchten zwei blaue Lichter; noch ein Druck auf ein anderes Knöpfchen, und schon ertönt der Alarm der Feuerwache. Mit viel Liebe zu solchen Details und mit handwerklicher Geschicklichkeit haben die Mädchen und Jungs der Mittelschule Albert-Schweitzer-Straße mit der Freizeitstätte Rampe eine Karte ihres Quartiers gestaltet. Nun haben sie diese bei der Auftaktveranstaltung von "Plan P - Kinder und Jugendliche zeigen ihr (Neu-)Perlach" im Kulturhaus am Hanns-Seidel-Platz präsentiert.

Bei Plan P handelt es sich um ein Kooperationsprojekt unter Regie des Bildungslokals Neuperlach. Die Idee dahinter: Schüler und Lehrkräfte mehrerer Schulen sollten mit Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit den Stadtteil erkunden und die Ergebnisse ihrer "Expeditionen" auf möglichst vielfältige Weise darstellen.

So waren außer der Mittelschule Albert-Schweitzer-Straße am Projekt auch das Werner-von-Siemens-Gymnasium mit der Südpolstation und dem Kinder- und Jugendtreff Come In, die Wilhelm-Röntgen-Realschule mit dem Kindertreffpunkt sowie die Wilhelm-Busch-Realschule mit dem ZAK beteiligt. Gemeinsam machten sie sich an eine Art Neuvermessung ihres Stadtbezirks - und zwar aus dem ganz spezifischen Blickwinkel junger Menschen. Oder wie Petra Heinen, die Leiterin des Bildungslokals Neuperlach, das Projekt erklärte: "Die Idee war, dass die Kinder zeigen sollten, wie sie ihren Stadtteil erkunden und ihn erleben, was sie vermissen und was sie sich wünschen." Vor allem solle es dabei nicht ums bloße Betrachten gehen, sondern auch darum, Mängel zu benennen und nach Möglichkeit zu beheben.

Die Schüler präsentieren zur Auftaktveranstaltung im Kulturhaus am Hanns-Seidel-Platz einen selbst erstellten Stadtplan. (Foto: Robert Haas)

So kündigte Moderator Robert Pechhacker gleich zu Beginn der Veranstaltung mit einem gewissen Augenzwinkern an: "Heute soll der spannende Schritt vollzogen werden, dass aus den einzelnen Platten ein Gesamtkunstwerk wird." Was am Ende auch geschah, nachdem die zwölf quadratischen Kartenteile der vier Teams in einer Art Wandteppich passend zusammengefügt waren. Doch dabei handelte es sich eben um den Auftakt des Projekts. Weshalb Petra Heinen etwas später erklärte: "Der Plan soll nicht im Keller verstauben, sondern auf Tournee gehen."

Das heißt: Plan P wandert in den nächsten Wochen und Monaten durch Schulen und Einrichtungen des Stadtteils, um in Folgeprojekten weiterbearbeitet zu werden. Dabei sollen die Anliegen von Kindern und Jugendlichen sichtbar gemacht werden und in Beteiligungsprozesse münden, die wiederum in die Kommunalpolitik einfließen. Heinen hat ein aktuelles Beispiel dafür parat, dass es sich auch für junge Menschen lohnen kann, sich für die eigenen Belange einzusetzen: Gerade erst haben die Stadträte im Bauausschuss die Beleuchtung der Skateanlage im Gefilde genehmigt. Genau das hatten sich einige Jugendliche bei einem Gespräch mit Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) Ende April dieses Jahres im Kinder- und Jugendtreff "Come In" gewünscht.

Jugendliche erkunden ihre Stadtteil, hier: Neuperlach. (Foto: Robert Haas)

Es gebe immer wieder Themen, die Kinder und Jugendliche umtreiben, sagt Petra Heinen. Darüber sollten sie mit Erwachsenen diskutieren und an Lösungen mitwirken, ermutigte sie ihre Zuhörer im Kulturhaus: "Es wäre toll, wenn der eine oder andere von euch mitmachen würde."

Einige erste Erkenntnisse lieferten aber bereits die von den Schülern entwickelten Stadtpläne. Häufiger geäußert wurde beispielsweise der Wunsch nach mehr Freizeitangeboten, insbesondere Sportstätten. Das eigentlich Überraschende aber war, dass die Kinder aber viele der bestehenden Einrichtungen in ihrer Nähe noch gar nicht kannten. Woraus sich fast unmittelbar für das Bildungsmanagement im Quartier der Auftrag ableiten lässt, diese Einrichtungen bekannt zu machen. Eine Möglichkeit wäre vielleicht, Schulklassen gezielt dorthin einzuladen.

Diesen Vorschlag machte Helga Summer-Juhnke ganz spontan beim Betrachten eines der Stadtpläne der Schüler. Im Referat für Bildung und Sport leitet sie das Pädagogische Institut, Stabsstelle "Bildung im Quartier". Somit ist sie Chefin der Münchner Bildungslokale und als solche interessiert sie das Kooperationsprojekt in Neuperlach natürlich. Von einem Erfolg kann man ihr zufolge sprechen, wenn es gelingt "Verantwortungsgemeinschaften" verschiedener Einrichtungen und Institutionen im Viertel zu bilden, die dann gemeinsam eine lokale Bildungslandschaft schaffen - am besten so, dass diese einmal selbständig fortbestehen. Dabei hofft Summer-Juhnke, dass diese Bildungslandschaft einem sehr umfassenden Anspruch gerecht wird. So zielten alle Bildungsprojekte letztlich darauf, essenzielle gesellschaftliche Werte wie Integration, Chancengleichheit oder Partizipation an demokratischen Prozessen zu vermitteln. "Es geht darum, Kindern zu zeigen, dass sich Beteiligung lohnt." Weshalb sie auch den politischen Willen der Erwachsenen einfordert, die Wünsche der Kinder umzusetzen. Alle Beteiligten müssten an einem Strang ziehen. "Wenn das nicht ernstgenommen wird, können wir einpacken."

© SZ vom 17.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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