Profil:Mehr Teamgeist

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Der Mann für den Neuanfang: Florian Ritter. (Foto: Johannes Simon)

Florian Ritter ist neuer Chef der Oberbayern-SPD

Von Lisa Schnell, München

Florian Ritter ist ein ruhiger Typ, so ruhig wie jetzt aber ist selbst er selten. Seine Stimme am Telefon ist nicht viel mehr als ein leises Krächzen, nur wer genau hinhört, erkennt den typischen Münchner Zungenschlag in seinen Worten. So sei das ja immer, haucht Ritter. Ist der Stress weg, schlägt der Körper zurück. Der Stress aber hat sich für Ritter gelohnt. Seinen Krankentag verbringt er damit, Glückwunsch-Mails zu beantworten. Weniger, weil er diese Woche seinen 55. Geburtstag feierte, sondern wegen seines neuen Amts.

Der Landtagsabgeordnete Ritter ist neuer Vorsitzender der Oberbayern-SPD. In einer Wahl, die knapper nicht ausgehen hätte können, setzte er sich gegen Ewald Schurer durch, mit genau 51 Prozent. Vierzehn Jahre stand Schurer, 63, an der Spitze des Bezirks, vierzehn Jahre trat kein anderer gegen ihn an, bis Ritter kam.

Ritter ist nicht viel jünger als Schurer, und trotzdem sehen viele in ihm einen Neuanfang. Er soll nichts weniger vollbringen, als die Oberbayern-SPD wieder zu einen. Die Gräben zwischen Stadt und Land überbrücken und den Streit mit den Jusos beenden, die dem Bezirk vorwarfen, ihrer Vorsitzenden einen aussichtsreichen Platz auf der Bundestagsliste verwehrt zu haben. Die Aufbruchssehnsucht im Bezirk habe Ritter sicher geholfen, sagen manche. Trotzdem fand er in seiner Bewerbungsrede für viele genau die richtigen Worte. Zu oft habe die SPD Unterlegene einfach liegengelassen und sei mit der Karawane weitergezogen, sagte Ritter. Konflikte aber müssten befriedet und nicht im Raum stehen gelassen werden. Er plädierte für mehr Zusammenhalt und Teamgeist. Die Aufstellung der Bundestagsliste, die Befindlichkeiten von Mandatsträgern seien für ihn nicht alles. Wichtig sei auch, wie der Bezirksvorstand den Unterbezirken bei ihrer täglichen Arbeit helfen könne.

Dass nun wieder friedlichere Zeiten für die SPD in Oberbayern beginnen, erhoffen sich viele auch von Ritters ruhigem Wesen, das für Grabenkämpfe eher wenig geeignet sei.

Ritter sagt von sich selbst, er trage sein Herz nicht auf der Zunge. Bevor er etwas von sich gibt, überlegt er mindestens dreimal. Im Landtag, wo es manchmal darauf ankommt, in Windeseile eine Pressemitteilung rauszuhauen, musste er lernen, seine Bedenkzeit zu verkürzen. Als eine Landtagskollegin von den Grünen von seinem Sieg beim Bezirksparteitag hört, reißt sie erstaunt die Augen auf: "Der Florian?" In ihrer Stimme ist Anerkennung, aber auch eine Spur Ungläubigkeit. Der Präsenteste aus der Fraktion sei Ritter auch heute noch nicht, sagen manche. Fehlende Standhaftigkeit aber kann ihm wohl niemand vorwerfen.

Ritter sei schon ein Sturschädel, wenn er von seiner Position überzeugt ist, heißt es. Vor allem, wenn es um den Kampf gegen Rechts geht, der ihn seit seiner Jugend bewegt. Eine seiner ersten Demos war ein Gedenkzug für die Opfer des Attentats auf das Oktoberfest 1980, nur ein paar Tage nach der Bluttat. Die bedrückende Stimmung, das Entsetzen über den Freistaat, der einen rechtsextremen Hintergrund kategorisch ausschloss - das alles ist ihm noch heute gut in Erinnerung. Am Küchentisch stritt er mit seinem Vater über den Umgang mit der Nazi-Zeit, über Atomkraft, die Nato-Nachrüstung. Er wurde katholisch erzogen, seine Mutter war entsetzt, als ihre Enkelkinder in eine Krippe sollten. Wenn mal jemand in der Familie was anders als CSU wählte, war das eine kleine Sensation.

Ritter ist seit 35 Jahren in der SPD. Er kam zu ihr über die Falken, einer Jugendorganisation, die den Arbeitnehmern nahe steht. Er selbst wird von Parteifreunden eher als Intellektueller beschrieben. Schon als Kind fanden ihn seine Schulkameraden wohl etwas seltsam, weil er sich so für alte Steine interessierte und gerne griechische Sagen las. Später dann fuhr er im Wohnmobil mit seiner Familie alte Tempel und Ausgrabungsstellen ab. Archäologe ist er aber trotzdem nicht geworden, sondern Datenverarbeitungskaufmann - neben Informatiker einer der ersten Berufe in der EDV, den es heute schon gar nicht mehr gibt. Marx, Engels und Kant widmete sich Ritter, als er sich an der Hochschule für Politik einschrieb, ohne Abschlussabsichten.

Heute habe er leider nur noch Zeit für "intellektuelle Berieselung", eine Geschichtsdoku auf Arte oder ähnliches. Ein bisschen Fotografieren und Klettern, für Freunde kochen, sonst bleibe nicht viel Zeit. Als neuer Bezirkschef wird es wohl noch weniger sein.

© SZ vom 11.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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