Pop:Pure Vernunft darf niemals siegen

Lesezeit: 3 min

Der Rapper Das Ding ausm Sumpf präsentiert sein neues Album "Kränk"

Von Rebecca Reinhard, München

Im Sumpf lässt es sich schwer Wurzeln schlagen. Vielleicht gilt Stefan Mühlbauer alias "Das Ding ausm Sumpf" deshalb als Rapper ohne Szene, als Hip-Hopper für Leute, die Sprechgesang sonst gar nicht mögen. Vielleicht, weil sich Das Ding musikalisch kaum fassen lässt: Mal erinnert es an Deichkind, oft an Marteria oder Käptn Peng. Könnte daran liegen, dass Das Ding ausm Sumpf sich überhaupt nicht fassen lassen will: "Ich will Musik machen für alle, die musikalisch gar kein Zuhause haben", sagt Mühlbauer. Damit setzt er einen bewussten Kontrapunkt zum Gangsta-Rap, der stark in seiner Szene verwurzelt ist. Stefan Mühlbauer aber macht keine Musik von der Straße. Vielmehr rappt er klug durchkomponierte Texte, die mit ihrer oft unangenehmen Dringlichkeit Erwachsene ansprechen. Vor allem jene, die vermeintlich fest im Leben stehen, mit Job und Partner - aber genauso fehlbar sind wie alle anderen auch.

Wie Mühlbauer selbst. Der entschloss sich nach der freiwilligen Flucht ins Klosterinternat dazu, Operngesang zu studieren. Dank chronischer Bronchitis ohne Abschluss, aber mit geschulter Stimme sodann setzte er ein Studium in Volkswirtschaft obendrauf, promovierte und sitzt im Aufsichtsrat eines Technologieunternehmens. Dass er nun als Rapper auftritt und in den kommenden zwei Monaten vor 15 000 Leuten spielen wird, fand sein Umfeld vor allem: "Kränk". Nun hat er sein zweites Album genau so genannt. Zufall ist das nicht.

Stefan Mühlbauer macht Musik für Menschen, die sich in keiner Szene so recht aufgehoben fühlen. (Foto: Marek Beier)

Das Ding setzt sich im gleichnamigen Track mit seiner durchaus bemerkenswerten Entscheidung auseinander: "Ab jetzt bin ich mein eigener Chef / Kein Geld, aber dafür Zeilen voll Herz." Es ist ein hartes, selbstkritisches Album geworden, das nun auf dem renommierten Label Roof Music erschienen ist. Das Ding zeigt darauf zwar auch auf andere, wie etwa im provokanten "Genau Du", das als Fingerzeig auf eine schizophrene Leistungsgesellschaft gehört werden kann: "Du isst nur Bio-Fleisch / Du hast Amazon Smile, zu Amazon Prime." Das ist mutig, entbehrt aber freilich nicht einer gewissen Hybris. Doch Mühlbauer nimmt sich nicht selbst heraus, wenn es darum geht, Fehler zuzugeben - nachvollziehbarerweise oft kein einfaches Unterfangen.

"Minidisc" etwa ist eine rabenschwarze Abrechnung mit seiner Ex-Partnerin - und sich selbst. "Es geht darin um mich, der sich ständig in Lügen verstrickt", sagt Mühlbauer dazu. Wir alle hätten die Gabe, uns etwas vorzumachen. Versteckt unter federleichtem Gute-Laune-Klang hinterlässt das Stück einen bitteren Nachgeschmack. So wie im nachdenklich machenden "Schere Stein Papier", in dem Mühlbauer seine Zeit im Internat aufarbeitet. Kaputt seien alle dort hineingegangen, "viele kamen noch kaputter wieder raus", sagt er heute dazu. Im Song spielt Das Ding ausm Sumpf immer wieder mit verschiedenen Klangfarben, erschaffen mit den jungen Produzenten Benedikt Maile ( Eau Rouge), Johannes Schlump ( Dongkong) und Amadeus Böhm ( Elektrik Kezy Mezy), der ihn als Gitarrist auch auf der Tour begleitet. Vibrierender Synthesizer und der feine Einsatz des oft (zu Unrecht?) verschrienen Auto-Tune bilden eine schillernde Hommage an Bon Iver, im Gesamtwerk unüberhörbar sind dagegen Referenzen an Tocotronic oder Die Sterne - Hamburger Schule eben. "Ich möchte mit meiner Musik immer zeigen, woher ich komme", sagt Mühlbauer. Zitation sei integraler Bestandteil des Hip-Hops - und eben der Wissenschaft, seinem zweiten "Fieber", wie Das Ding ausm Sumpf gerne selbst sagt.

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Wer sich übrigens fragt, woher der zugegebenermaßen leicht lächerlich anmutende Künstlername kommt, dem sei eines seiner nun anstehenden Konzerte empfohlen. Mit schief auf dem Kopf sitzender Seemannsmütze, ausgebeulter Hose und vor allem sumpfigen, tief vibrierenden Bässen nimmt Das Ding ausm Sumpf viel Raum ein auf der kleinen Bühne beim Tourauftakt in der Milla. Dabei bezieht er sein Publikum immer ein, generiert so eine wohlig intime Atmosphäre.

Tatsächlich sind viele an diesem Abend nicht zum ersten Mal bei einem Das-Ding-Konzert. Jene rappen sogar schon die Songs der neuen Platte mit, die gerade am letzten Freitag erschienen ist. Bekannte Songs aus dem ebenfalls noch jungen ersten Album "Expedition I" lassen das Publikum zuverlässig tief in die Knie gehen und die Arme rhythmisch schwingen, so wie Das Ding es auch auf der Bühne tut. Und man fragt sich, woher dieser erstaunlich dichte Sound kommt. Wahrscheinlich aus dem Sumpf. In Wirklichkeit ist das Pseudonym übrigens nur der Spitzname, den Mühlbauers Freunde ihm zu Studienzeiten gaben.

Das Ding ausm Sumpf: "Kränk" (Roof Music); live verschiedene Termine bis 30. April

© SZ vom 11.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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