Pop:Ein bisschen Gold und Glitzer

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Beim digitalen Finale des diesjährigen Sprungbrett-Förderprogramms kürt die Jury "Brew Berrymore" zur "Münchner Band des Jahres 2020"

Von Sarah Maderer, München

"Es wäre schon ein Sprungbrett für uns" - so vorsichtig wagt Benedikt Wagensonner vom Sieg zu träumen, als er und seine Bandkollegen draußen vor der Kranhalle des Münchner Feierwerks ihren Auftritt für das "Sprungbrett"-Förderprogramm Revue passieren lassen. Wobei "Sieg" hier wohl der falsche Begriff sein dürfte, nachdem sich die Feierwerk Fachstelle Pop schon seit Jahren darum bemüht, jeglichen Konkurrenz- und Hierarchie-Gedanken auszumerzen.

Beim Sprungbrett werden alle Finalgruppen gleichermaßen gefördert, die Jury ermittelt keine Siegerband, sondern die "Münchner Band des Jahres 2020. "Wäre es ein klassischer Bandcontest gewesen, hätten wir nicht gespielt", stellt Bene klar. "Besonders in der schwierigen aktuellen Situation hat Konkurrenzdenken eh keinen Platz." Es ist der zweite und letzte Produktionstag des digitalen Finales, den Bene als Leadsänger der Band Brew Berrymore eröffnet. Dass er mit seinen Bandkollegen aus München, Landshut und Regensburg den Titel holen würde, ist zu diesem Zeitpunkt noch Wunschdenken. Bei so vielen verschiedenen Stilen und Genres seien die eigenen Chancen schwer einzuschätzen, ihre Mitstreiter seien "ois guade Leid".

Die Band Brew Berrymore aus München, Landshut und Regensburg reißt auch über die Bildschirmgrenze hinweg mit. (Foto: Jaime Peralta (Ideal Ent.))

Verteilt auf zwei Abende dürfen in diesem Jahr alle Bands, die sich bei den Vorrunden im Frühjahr qualifiziert haben, jeweils ein 30-minütiges Set zum Finale beitragen. Die Videopremieren waren am vergangenen Montag- und Dienstagabend, jeweils ab 19.30 Uhr, auf der Sprungbrett-Webseite abrufbar. Den Anfang machte die vierköpfige Münchner Band Filip, die bereits Wettbewerbserfahrung mitbringt und souverän durch ihr Programm führt. Schließlich ist an beiden Finalabenden Moderations- und Unterhaltungstalent ebenso gefragt wie musikalisches, um die Stille des fehlenden Publikums auszugleichen. Auch wenn ihr Songwriting etwas mehr Abwechslungsreichtum vertragen könnte, hinterlassen Filip einen wohligen Gute-Laune-Nachgeschmack, was nicht nur am Wein-Prosit liegt, mit dem die Band ihr Set beschließt. Ohne Begrüßung und überhaupt ohne viele Worte schließt sich die Münchner Band Saguru um Singer-Songwriter Chriz Rappel an. Diese Wortkargheit tut der Performance jedoch keinen Abbruch, wenn überhaupt steigert sie die Spannung unter den vier Bandmitgliedern, die ruhige wie treibende Passagen gut untereinander kommunizieren.

Wassermanns Fiebertraum aus München und Wien haben bereits drei Studioalben veröffentlicht und spielen vorwiegend instrumentalen Alternative-Rock, den die warme Stimme des Sängers auf überraschende Weise ergänzt. Unzählige, professionell gemeisterte Übergänge innerhalb der Instrumentalparts machen gelegentliche Intonationsschwierigkeiten im Gesang allemal wett. Since April beschließen den ersten Finalabend mit ihrem melodisch-emotionalen Heavy-Rock. Die durchweg englische Moderation des Sängers inklusive gelegentlichem Kraftausdruck lässt das Streben nach internationalem Flair erkennen. Nach Brew Berrymore präsentieren am Dienstag Herr Rauch & Die Sportlehrer ihr Genrehybrid aus Pop-, Balkan- und Kneipenrock. Stefan Rauch teilt sich die deutschsprachigen Gesangsparts mit Bassist Hannes, nicht immer blitzsauber, aber zum Kneipenflair sehr stimmig, wie auch die wiederkehrenden Textmotive Kaffee und Wein. Roadstring Army glänzen abschließend mit routinierter Bühnenpräsenz und musikalischer Professionalität. Ihr poppig-bluesiger Country-Rock untermalt von einem Holzsaxofon mag angesichts des heutigen Trends zum Elektronischen nicht allzu modern klingen, funktioniert aber aufgrund der Musikalität aller Bandmitglieder sehr gut.

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Mit mindestens genauso viel Musikalität und Attitüde konnten Brew Berrymore die neunköpfige Jury überzeugen. "Euch merkt man sich", war einer der Jurykommentare. Benes energetischer, vielseitiger und kontrolliert eingesetzter Gesang, gestützt von alternativen Gitarrenklängen und futuristischen Synthesizern lässt einen derartigen Sog entstehen, dass er über die Bildschirm-Grenze hinweg mitreißt. Da muss Bene beim Auftritt selbst staunen, wie viel Energie doch da ist, obwohl die Band so lange nicht gespielt hat. Ob sie es bereut hätte, mitten in der Coronazeit ihr Debütalbum "Have a Beer in Stratosphere" veröffentlicht zu haben, verneint die Band einstimmig. "Das einzige, was man jetzt machen kann, ist den Leuten Musik zu geben, das gibt Kraft in so einer Zeit. Und die Tour holen wir nach." Der Titel "Münchner Band des Jahres 2020" dürfte bis dahin als Belohnung ihrer Mühen allemal reichen.

© SZ vom 24.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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