Politik:Die Brückenbauer mit den guten Nerven

Lesezeit: 2 min

Oberbürgermeister Reiter ehrt langgediente, ehemalige Bezirksausschuss-Mitglieder für ihre Verdienste

Von Thomas Kronewiter, München

Aktuell sind sie eine Gruppe von immerhin 683 Münchnerinnen und Münchnern. Sie sehen sich mindestens einmal im Monat, meistens wesentlich häufiger, ihre Betätigung findet oft am Feierabend statt, ist ehrenamtlich, es gibt nicht viel Ruhm und - außer einer Aufwandsentschädigung - noch weniger Geld. Nur für manche ist das Engagement in einem der 25 Münchner Bezirksausschüsse die Startrampe für eine große politische Karriere. Und doch ist die politische Willensbildung in der Isar-Metropole ohne ihre Mittlerrolle zwischen den Anwohnern und dem oft fernen Stadtrat am Marienplatz nicht denkbar. Immerhin mehr als 300 ehemalige Bezirksausschuss-Mitglieder bekamen in den vergangenen Tagen Post aus dem Rathaus - statt des coronabedingt ausgefallenen Abschiedsessens mit dem Oberbürgermeister gab es ein Dankschreiben, verschiedenfach Medaillen "München leuchtet" in Gold, Silber und Bronze, mitunter auch Geschenke.

Wie groß der Umbruch bei der Kommunalwahl im vergangenen Jahr ausgefallen ist, macht ein Blick auf die selbst in den Augen des Oberbürgermeisters zahlreichen "erstaunlichen" Amtszeiten deutlich. Allein sieben Personen waren länger als 40 Jahre ehrenamtlich in einem Bezirksausschuss aktiv. An der Spitze liegt dabei Adalbert Knott (CSU) aus Bogenhausen mit mehr als 48 Jahren, der einmal bei einer früheren Ehrung sagte, man brauche als Politiker an der Basis "gute Nerven und Kollegen, die ebenso verbissen für eine Sache kämpfen wie man selbst". Hannelore Eichele sowie Oskar Haider (beide CSU), beide vom BA Schwabing-West, haben dies wohl beherzigt. Sie gehörten ihrem Gremium mehr als 46 Jahre an. Ingrid Braunstorfinger (CSU), ebenfalls vom BA Schwabing-West, hatte dieses Amt mehr als 45 Jahre inne, Heide Schoneweg und Dieter Meyer (jeweils CSU), beide vom BA Sendling-Westpark mehr als 41 Jahre sowie Gerhard Fries (SPD) aus Hadern mehr als 40 Jahre.

Immerhin 15 weitere ausgeschiedene Mitglieder dürfen auf eine Mitgliedszeit von mehr als 30 Jahren stolz sein. Dabei ragt Walter Klein (SPD) vom BA Schwabing-West hervor, der nicht nur eine Mitgliedschaft von mehr als 38 Jahren vorweisen kann, sondern zugleich 36 Jahre den Vorsitz in seinem Gremium inne hatte, dem in diesen Jahrzehnten der Begriff des "Kuschel-BA" anhaftete. So gehörte Schwabing-West traditionell zu den Gremien, die sich etwa im Mieterschutz und im Kampf gegen Gentrifizierung und Verdrängung besonders profilierten - dass die entsprechende Beschlüsse dann oft einstimmig gefasst wurden, hat der Durchschlagskraft des Gremiums nicht geschadet.

Denkt man zudem an den im Juni 2020 nach 35 Jahren vorzeitig ausgeschiedenen Mieterschutz-Aktivisten Albrecht Schmidt (SPD), unterstreicht die Personalie Walter Klein den besonderen Aderlass, den das Gremium aus dem westlichen Schwabing zu verkraften hatte: Dort ist mit der Kommunalwahl nahezu das gesamte Führungspersonal ausgeschieden. Auch Au-Haidhausen hatte spürbare Abgänge zu verzeichnen: Mehr als 30 Jahre war Adelheid Dietz-Will (SPD) dort Mitglied, davon 18 Jahre lang als Vorsitzende, 36 Jahre gehörte Mathilde Meyer (SPD) diesem Gremium an.

Ihnen allen dankte OB Dieter Reiter (SPD) - diesmal eben per Brief. Er sei sich "bewusst, dass aufgrund des hohen Arbeitseinsatzes der Bezirksausschuss-Mitglieder oftmals andere, private Interessen zurückstehen mussten". Im besten Fall gab es dafür Erfolge - wobei man sich diese nicht unbedingt geschichtsbuchträchtig vorzustellen hat. Adalbert Knott hat für einen dringend benötigten Supermarkt an die 30 Jahre, für einen Bus bis zur Trabrennbahn in Daglfing 20 Jahre lang, wie er sagt, an die Entscheider "hingebettelt". Doch es gibt auch andere Geschichten: Zu den jetzt Ausgezeichneten gehörte etwa auch Markus Blume, 18 Jahre lang Mitglied des Bezirksausschusses Ramersdorf-Perlach und inzwischen als CSU-Generalsekretär einer der Einflussreichsten in seiner Partei.

© SZ vom 09.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: