Brauereipferde auf dem Oktoberfest:Selfie mit Maxima

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Brauereipferde gehören zur Wiesn wie Bier und Tracht: Das Oktoberfest geht auf ein Rennen zurück, das 1810 anlässlich einer Hochzeit abgehalten wurde. (Foto: Robert Haas)

Tätscheln, schmusen, unter dem Schweif posieren: Manchen Besuchern fehlt bei den Brauereipferden auf dem Oktoberfest die nötige Distanz. Warum drehen die Tiere nicht durch?

Von Sophie Burfeind

Maxima döst, auch als sich ein betrunkener Mann ihren Schweif über die Glatze legt. In drei Reihen drängen sich die Leute um das Pferd, schießen Fotos, kuscheln sich für ein Selfie an den flauschigen Hals, tätscheln ihr Fell. Die 14-jährige Stute lässt das kalt. Genauso wie die scheppernde Blasmusik, das Hupen und Tröten der Fahrgeschäfte. Sie döst, der lange Schopf hängt ihr über die halbgeschlossenen Augen, das linke Hinterbein hat sie lässig angewinkelt.

Maxima ist eines der sechs Kaltblüter, die als Prachtgespann vor dem Hofbräuzelt stehen. Jede der sechs Brauereien auf dem Oktoberfest hat ein solches Sechsergespann, manche fahren zusätzlich mit Vierer- oder Zweiergespannen auf das Festgelände. Insgesamt sind dort also gerade täglich zwischen 36 und 46 Pferde unterwegs.

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Dass sie alle den Rummel so gelassen hinnehmen wie Maxima, dass auf dem Münchner Oktoberfest noch nie ein schlimmerer Unfall mit einem Gespann passiert ist, ist durchaus bemerkenswert. Denn außerhalb der Wiesn kommt es regelmäßig zu Kutschunfällen. Die Tiere, die gut eine Tonne schwer werden können, ergreifen nun mal instinktiv die Flucht, wenn sie sich erschrecken. Warum also sind die Gespanne sicherer als so manches Fahrgeschäft? Das erfährt man am besten, wenn man ein Gespann ein paar Stunden begleitet.

Die Tiere brauchen ein ruhiges Gemüt

So wie die Pferde vor dem Hofbräuzelt. Die sechs Kaltblüter gehören Ludwig "Luggi" Käser und stehen normalerweise in seinem Stall mit großen Weiden in Sindelsdorf bei Garmisch. Gerade aber werden sie in München von vier Japanern mit Handys geknipst. Der 61-jährige Kutscher oben auf dem Bock fährt seit neun Jahren für Hofbräu, auf die Wiesn und auf andere Veranstaltungen.

Nur Spaten hat eigene Pferde, alle anderen Brauereien haben Verträge mit Landwirten oder Kutschern. Die spannen ausschließlich schwere Kaltblüter vor ihre Kutschen, weil die nicht nur kräftig sind, sondern auch ein besonders ruhiges und ausgeglichenes Gemüt haben.

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Trotzdem dürfen nicht alle seine belgischen Kaltblüter, die er selbst züchtet, mit zur Wiesn, sagt Käser. Nur die älteren und erfahrenen. "Ich nehme dann immer mal ein Jüngeres dazu, für das ist es beruhigend, wenn die anderen Pferde entspannt sind." In diesem Jahr ist das die sechsjährige Sophie.

Durch viele Kutschfahrten und Auftritte auf Volksfesten gewöhnten sich die Tiere schnell an Lärm und Gedränge, erklärt Käser. "Vor der Wiesn proben wir aber noch mal mit Trommlern und Musikern."

Pferde haben eine genauso lange Tradition auf Deutschlands größtem Volksfest wie Bier und Tracht. Nicht nur, weil alles mit Pferden begann: Schließlich geht das Oktoberfest auf ein Rennen zurück, das 1810 anlässlich der Hochzeit von Kronprinz Ludwig und Prinzessin Therese auf der heutigen Theresienwiese abgehalten wurde.

Auch das Bier wurde jahrzehntelang von Braurössern auf das Festgelände gekarrt. Heute tun die Pferde in ihren mit Gold verzierten Geschirren, von denen jedes mehr als 12 000 Euro kostet, das nur noch symbolisch.

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Ein Maulkorb, um nicht gefüttert werden zu können

Damit nichts passiert, wenn die Tiere mehrere Stunden lang inmitten der grölenden Menschenmenge vor den Zelten stehen, werden die Gespanne von allen Seiten bewacht. Einige brenzlige Situationen gab es trotzdem schon, erzählt der Kutscher: "Einer hat mal versucht, auf's Pferd zu springen. Vom Alkohol umnebelt ist er drunter gerutscht. Zum Glück hat Pauli sich nicht bewegt."

Denn Pauli wiegt 1300 Kilogramm. Ein anderes Mal habe ein Mann einem Pferd die Nüstern zugehalten. "Wer weiß, was passiert wäre, wenn das Pferd in Panik geraten wäre, weil es keine Luft mehr kriegt - gut, dass ich das schnell gesehen habe", sagt er. In der Regel verhielten sich die Besucher den Pferden gegenüber aber vernünftig. Und es gibt weitere Vorsichtsmaßnahmen: Damit sie nicht gefüttert werden können, tragen die Tiere einen Maulkorb.

Bis auf das Augustiner-Gespann sind alle Brauereipferde während der Wiesn-Zeit in Stallungen des Circus Krone untergebracht. Ihre Tage beginnen früh. Zwischen sechs und sieben Uhr werden sie gewaschen, geputzt und eingespannt. Die Prozedur dauert mehrere Stunden. Am späten Vormittag treffen die Wagen dann auf dem Festgelände ein.

Der heikelste Moment für alle Kutscher ist der Heimweg. "Wir alle fahren immer gegen 16 oder 16.30 Uhr zurück, bevor es richtig voll und gefährlich wird", sagt Käser. Samstags sind deswegen gar keine Gespanne unterwegs und sonntags nur vormittags. Für den Rückweg gehen seine drei Helfer durch die Menschenmassen und schieben Betrunkene zur Seite. Das aber hilft nicht immer. "Vergangenes Jahr war es an einem Sonntag so voll, dass die Polizei den Weg für uns räumen musste", sagt Käser.

Auf dem restlichen Weg zum Circus Krone müssen Fußgänger von dem Gespann ferngehalten und Autos auf den Straßen gestoppt werden. Weil der Stall nur eineinhalb Kilometer von der Theresienwiese entfernt ist, dreht der Kutscher vor und nach dem Wiesn-Auftritt immer eine extra Runde, damit die Pferde genug Bewegung kriegen. Auch wenn die Tiere in den ruhigen Stallungen gut untergebracht sind, freuen sie sich, wenn sie wieder nach Hause kommen. "Dann rennen sie auf die Weide und wälzen sich", sagt der Kutscher.

© SZ vom 26.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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