Perlach:Was nach dem Damals kommt

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Wer sind wir, wo gehören wir hin? Niklas D. Klose alias Finn und Clara-Maria Prokop in der Rolle der Jamie. (Foto: Ferdinand Leopolder/oh)

Junge Schauspielerinnen und Schauspieler erarbeiten gemeinsam ein Stück über ihre Generation

Von Katja Gerland, Perlach

Wenn der Videoanruf beginnt, ist Clara-Maria Prokop, 20, nicht mehr Clara, sondern Jamie. Niklas D. Klose, 22, ist nicht mehr Niklas, sondern Finn. Und auch Lidia Dogan, Emilie Fleury, Louis Kuballa und Daniel Renzikowski, alle zwischen 18 und 23 Jahre alt, schlüpfen dann in ihre Rollen. Improvisiert wird von Bildschirm zu Bildschirm, zu gesellschaftlichen Themen, die auch die jungen Schauspielerinnen und Schauspieler beschäftigen. Und manchmal, wenn die Diskussion zu hitzig wird, legt einer von ihnen, in Solidarität mit seiner Rolle, einfach auf.

Es klingt nicht wie die klassische Theaterarbeit, die man aus Prä-Pandemiezeiten kennt. Aber wenn Kontaktbeschränkungen die Proben aus nächster Nähe verhindern, müssen innovative Lösungen her. So erging es auch dem Ensemble um Leiterin Andrea Funk, 57, das im Herbst vergangenen Jahres seine Theaterarbeit abrupt unterbrechen musste. Eine Alternative fand die Gruppe in wöchentlichen Videogesprächen über die Plattform Zoom, in denen sie improvisierte, probte und Schritt für Schritt ein Stück für die echte Bühne entstehen ließ: "Was nach dem Damals kommt" hatte jetzt im Jugendcafé an der Hochäckerstraße Premiere.

Eingebettet in die Zusammenkunft sechs junger Menschen drei Jahre nach ihrer Schulzeit, entladen sich vor den Augen der Zuschauer die Ängste und Sorgen der Protagonisten in Diskussionen über die Gesellschaft: Sexismus, Feminismus, das Spannungsfeld zwischen Leistungsdruck und Selbstverwirklichung. Das Stück könne man nicht auf ein Thema beschränken, sagt Andrea Funk. Sicherlich ziehe sich aber die Herausforderung für die junge Generation, den eigenen Platz in der Gesellschaft zu finden, durch jede Szene.

Mit dem Gedanken, ein Stück mit und über junge Menschen zu kreieren, hatte Funk schon länger gespielt. "Dieses Nicht-Wissen-Wohin dieser Generation hat mich einfach berührt", sagt sie am Rande der Bühne. Über einen Aufruf über die sozialen Medien und Funks Kontakte in der Theaterszene hat die jetzige Besetzung des Stücks im vergangenen Sommer zusammengefunden: Sechs Jungschauspieler und -schauspielerinnen, die an unterschiedlichen Punkten in ihrem Leben stehen - ähnlich wie ihre Rollen. Das sei kein Zufall, erzählt Darstellerin Clara-Maria Prokop. Denn das Skript und die Rollencharakteristika hat Funk nicht vorab konstruiert, sondern gemeinsam mit den Darstellern während der wöchentlichen Videoanrufe erarbeitet. "Wir haben uns die Frage gestellt: Wer würde er oder sie in der Rolle sein?", sagt Funk. Das Ergebnis: Sechs fiktive Persönlichkeiten, die immer auch einen Teil der Darsteller in sich tragen. "Manchmal fragt man sich dann schon, was ist davon echt und was ist gespielt?", erzählt Finn-Darsteller Klose. Und auch Prokop erkennt sich in ihrer Rolle wieder: Etwa wenn Jamie in ihren Textpassagen gendert. "Dadurch kennen wir die Charaktere so unfassbar gut", sagt Prokop. Ähnlich erarbeitete die Gruppe die Inhalte des Stücks: Die Szenen sind während der Videotelefonate durch improvisierte Gespräche der Figuren entstanden, die Funk wiederum in ein Skript übersetzt hat.

Vielleicht fiel es den Darstellern deshalb so leicht, ihre Figuren nach sechs Monaten digitalem Improvisieren und Proben auf die Bühne zu bringen. Dort ist der private Raum, in dem das Stück vor Bildschirmen entstanden ist, in einem minimalistischen Bühnenbild aufgegriffen. Bunte Perserteppiche, die auch zur Ausstattung eines Wohnzimmers gehören könnten, verdecken verschiedene Möbelstücke und bilden eine Art Hügellandschaft, über die sich die Schauspieler hinwegbewegen. "Die Figuren sind an einem unsicheren Punkt in ihrem Leben, deshalb sollen sie sich auch auf der Bühne nicht komfortabel bewegen können", erzählt Sophie Leopolder, die die Kulisse entworfen hat. Die szenischen Hürden nehmen die Schauspieler wohl gerne auf sich. Denn im Endeffekt liege ihnen auch etwas daran, den Zuschauerinnen und Zuschauern ein Gefühl zu transportieren. "Wir möchten erreichen, dass man sich nach dem Stück ein bisschen weniger für sich fühlt", sagt Darsteller Daniel Renzikowski.

Drei Vorstellungen von "Was nach dem Damals kommt" sind im Jugendcafé des Falkenfreizeitstättenvereins an der Hochäckerstraße 87 noch zu sehen. Am Sonntag, 18. Juli, 14 Uhr und 20.30 Uhr, sowie am Montag, 19. Juli, 20.30 Uhr. Der Eintritt ist frei. Reservierung per E-Mail an vincent@drymix.info oder per Telefon unter 0176/32 68 53 55.

© SZ vom 17.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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