Perlach:Aus der Pfalz nach Perlach

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Auf den Spuren des Protestantismus im erzkatholischen Königreich Bayern: Markus Blume, Susanne Trimborn, Michael Kammerloher und Ulrich Walter (v.l.). (Foto: flop)

Die St.-Paulus-Gemeinde erinnert mit einer Ausstellung an den Zuzug protestantischer Christen vor 200 Jahren

Von Hubert Grundner, Perlach

"200 Jahre Protestanten in Perlach - das ist großes Kino", sagt Markus Blume hörbar begeistert. In der gleichnamigen Ausstellung, die am Freitag, 2. September, mit einer Vernissage im Pavillon der St.-Paulus-Gemeinde eröffnet wird, spiegelt sich ja tatsächlich weit mehr als nur lokale Historie: Wie unter einem Brennglas sind in dem einstigen Bauerndorf die Anfänge des Protestantismus im erzkatholischen Königreich Bayern zu verfolgen.

Blume, sonst eher präsent als Landtagsabgeordneter der CSU, ist Mitglied des Kirchenvorstands von St. Paulus sowie der Landessynode. Weshalb er am Montag nur zu gern an der Präsentation der Ausstellung zusammen mit Pfarrerin Susanne Trimborn teilnahm. Die eigentlichen Macher aber sind Ulrich Walter vom Festring Perlach und Michael Kammerloher, Vertrauensmann der St.-Paulus-Gemeinde.

Die beiden konzipierten eine Schau, die einer Zeitreise gleicht und zunächst in die Pfalz führt. Unter der französischen Besatzung herrschten in der Rheinpfalz schwierige wirtschaftliche und gesellschaftliche Verhältnisse. Die Einladung des Kurfürsten und späteren Königs Max I. Joseph, nach Bayern zu kommen sowie dessen Zusage, dass die Konfession keine Rolle mehr bei der Erteilung des Bürgerrechts spielen dürfe, verstanden viele Pfälzer als Chance.

Die erste Welle dieser Zuwanderer erreicht Bayern um 1802. Die sogenannten Überrheiner siedeln sich im Donaumoos und im Rosenheimer Moor an; diese Kolonie erhält den Namen Großkarolinenfeld. Weiter heißt es in der zur Ausstellung herausgegebenen Festschrift: "1816 kommen dann die ersten Übersiedler aus Edenkoben in der Pfalz nach Perlach. Dies wurde in den Grundbüchern verbrieft, daher können wir im Jahr 2016 den zweihundertjährigen Zuzug dieser ersten protestantischen Christen nach Perlach feiern."

Schon die Reise von Edenkoben nach Perlach muss beschwerlich gewesen sein, das Hab und Gut auf dem Ochsenkarren verstaut. Überfälle sind auch keine Seltenheit, führen die Familien doch den Kaufpreis für die zukünftige Hofstelle mit sich. Zwei bis drei Wochen voller Strapazen benötigten die Pfälzer Aussiedler vermutlich für die knapp 350 Kilometer. Und auch nach ihrer Ankunft in Perlach erwartete die protestantischen "Wirtschaftsflüchtlinge" kein leichtes Leben. Zwar wurden sie als Landwirte für ihre Anbaumethoden geschätzt. Ihr Geschick weckt aber auch Neid und Missgunst. So sehr, dass Minister Georg Friedrich von Zentner die Bevölkerung aufruft, die Zuwanderer nicht zu beschimpfen. Zentner, selbst aus einer kinderreichen Bauernfamilie stammend, fordert Toleranz gegenüber den Neubürgern.

Doch allen Widerständen zum Trotz gelingt es den Protestanten aus Edenkoben doch, in Perlach Fuß zu fassen: Wie sie ihre ersten Hausgottesdienste feierten, wie sie das heute denkmalgeschützte Ensemble mit Kirche, Pfarrhaus und Schule schufen, das alles ist nicht nur lehrreich, sondern auch spannend. So war das Geschehen in der kleinen Gemeinde immer wieder Gegenstand politischer Diskussionen des bayerischen Herrscherhauses, selbst in Berlin wurde über Perlachs Protestanten berichtet. Und dass der Kauf des Grundstücks für den Kirchenbau auch deshalb glückte, da "seine Majestät, der König von Preußen, allerhuldvollst 500 Gulden zu schenken geruhten", ist eine durchaus pikante Fußnote der Geschichte.

"200 Jahre Protestanten in Perlach", Pavillon der St.-Paulus-Gemeinde an der Sebastian-Bauer- Straße 21, 3. bis 11. September, 15 bis 18 Uhr.

© SZ vom 30.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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