Pasing:Unter Strom

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Aufregung wegen einer Trafostation der Stadtwerke auf einem Privatgrundstück in Pasing: Hausherr Heinrich Eder fürchtet das Magnetfeld der Anlage, die Nachbarn wehren sich gegen das Fällen einer Buche am Alternativstandort

Von Jutta Czeguhn, Pasing

Ein Brummton. Heinrich Eder hört ihn in der Nacht, wenn das Schlafzimmerfenster offen steht. Der 72-Jährige hört ihn am Tag, wenn er im Garten sitzt. Der Pasinger leidet nicht an der Volkskrankheit Tinnitus, das Dauergeräusch sitzt nicht in seinem Kopf. Jeder, den er auf sein Grundstück am Pasinger Stadtpark lässt, kann es hören. Die Ursache für das Brummen ist physikalischer Natur, denn: Im Garten steht eine Trafostation, über die die Stromversorgung der gesamten Nachbarschaft läuft. Weil Heinrich Eder mit den Stadtwerken nun ausgemacht hat, dass das Häuschen von seinem Privatgrund verschwindet und einige Meter weiter auf eine öffentliche Fläche versetzt wird, herrscht erhebliche Aufregung. Denn am neuen Standort müsste eine alte, markante Rotbuche gefällt werden. Zudem wird Heinrich Eder "Sankt-Florians-Politik" vorgeworfen. Er wolle den Trafo auf Kosten seiner Nachbarn los werden, heißt es.

Gebaut wurde die Trafostation im Jahr 1967. "Das war noch zu Zeiten der Bayernwerke", hat Stadtwerke-Pressereferent Michael Solić recherchiert. Damals gehörte das Grundstück zur Pasinger Papierfabrik, die 1994 dichtmachte. Das Areal wurde später parzelliert und in ein Wohnbaugebiet umgewandelt. Heinrich Eder hat das Grundstück im Jahr 2001 erworben. Über eine Grunddienstbarkeit ist den Stadtwerken ein Wegerecht eingeräumt, schließlich muss die Trafostation regelmäßig gewartet werden.

Schwieriger Fall: Heinrich Eder kann die starke Strahlung des Magnetfeldes messen. (Foto: Robert Haas)

Heinrich Eder sagt, damals sei über die Gesundheitsbelastung, die von den Magnetfeld-Emissionen des Trafos ausgeht, nicht viel bekannt gewesen. Eder selbst ist Physiker mit Doktortitel. In den Jahren 2000 bis 2009, als sich die Menschen über Handy-Strahlung schwere Sorgen machten, war Eder für seinen Arbeitgeber, das Bayerische Landesamt für Umweltschutz, als Strahlenschutzexperte aktiv. Er hat auf diesem Gebiet sogar eine prämierte Erfindung gemacht - das Personen-Dosimeter, das man sich an den Oberarm schnallt und das über den Tag die individuelle Strahlenbelastung messen kann.

Wenn Heinrich Eder heute durch seinen Garten geht, hat er ein geeichtes Gerät in der Hand, mit dem sich Magnet- und Elektrofeldstärken messen lassen. Zeigt es im Wohnzimmer noch einen unbedenklichen, typischen Wert von 56 Nanotesla an, kommt draußen im Garten auf dem Display Unruhe auf. Direkt am Trafohäuschen zeigt das Gerät 270 Nanotesla an. "Das wäre an und für sich noch unbedenklich", sagt Eder und entfernt sich von der Station. Ein paar Schritte weiter aber saust der Balken nach oben, über 1400 Nanotesla. "Die Hauptbelastung kommt von den Zuleitungen unter der Erde, nicht vom Trafo", erklärt er das Phänomen. Und genau das bereitet ihm Sorge: "Der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlene Richtwert für das niederfrequente Magnetfeld wird im Bodenbereich um das Fünffache überschritten. Das bedeutet, das die Wahrscheinlichkeit für Kinder, bei längerem Aufenthalt an Leukämie zu erkranken, sich in diesen Bereichen mindestens verdoppelt." Bald werden das zweite und dritte Enkelkind der Eders auf die Welt kommen. Die Stadtwerke widersprechen Eders Darstellung: Alle Grenzwerte würden eingehalten, sogar "weit unterschritten". Das Erdreich diene als Abschirmung.

Eder scheitert aber an einer Rotbuche. (Foto: Robert Haas)

Seit Jahren ist den Stadtwerken bekannt, dass Eder die Anlage auf seinem Grundstück los werden möchte. Die Suche nach einem Alternativstandort für einen Trafo-Neubau, berichtet Michael Solić, habe sich aber als sehr kompliziert erwiesen. Die einzige mögliche Lösung sei ein kleiner öffentlicher Bereich an der Ecke Endeweg/Am Stadtpark. Dort aber steht die alte Rotbuche. Und dort wohnt Inez Moser-von Weizsäcker, die dort auch ihre Atemtherapie-Praxis hat.

In der Sitzung des Bezirksausschusses wurde Außenstehenden vor Augen geführt, wie sehr der Streit um das Trafo-Häuschens, respektive die mögliche Fällung der Rotbuche, die Nachbarschaft belastet. Inez Moser und ihr Vater, Carl Christian Freiherr von Weizsäcker, berichteten von einer Unterschriftensammlung, die sie zur Rettung des Baumes angestoßen haben; 130 Nachbarn hätten bereits unterschrieben. Es gehe in erster Linie um den Naturschutz, betont der Freiherr, aber: Natürlich müsse man Ängste um gesundheitliche Risiken ernst nehmen. Deshalb sollten die Stadtwerke die Anlage an einen Ort setzen, an dem sie grundsätzlich kein Risiko für Menschen mehr darstelle. Die Familie von Weizsäcker sieht sich durch das Votum des Bezirksausschusses in ihrer Auffassung bestätigt. Die Mitglieder im zuständigen Unterausschuss Umwelt hatten mit 13:0 gegen den Fällantrag der Stadtwerke gestimmt.

Die Geschichte scheint also verfahren, Heinrich Eder fühlt sich missverstanden. In einem Brief an seine Nachbarn legt er deshalb dar, dass er mit seinem Wunsch, das Trafohäuschen von seinem Grund zu entfernen, niemand anderem schaden wolle. Die Zuleitungen auf dem öffentlichen Grund wären so kurz, dass von ihnen keine Belastung für das Moser-Haus ausgehen könne. Zudem wäre die neue Trafostation emissionsärmer, kleiner und leiser. Und er bietet an, in seinem Garten einen Ersatzbaum zu pflanzen. Wie es aussieht, wird der Trafo, dann allerdings technisch auf dem neuesten Stand, wohl wieder im Garten der Eders stehen. Denn die Stadtwerke, so Solić, müssten die Entscheidung des Bürgergremiums akzeptieren. Und ein weiterer Alternativstandort ist nicht in Sicht.

© SZ vom 10.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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