Pasing:Trommelwirbel für die Kultur

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Beim zweiten "Sommerfrische"-Festival legt die Fabrik noch eine Schippe drauf: Es gibt jeden Tag Programm - und Filmfest live im Ebenböckpark mit Volker Schlöndorff und David Bennent

Von Jutta Czeguhn

Herr Schlöndorff, Herr Bennent, wie haben Sie das gemacht? Filmfans können sich diese Frage schon mal zurechtlegen für den 3. Juli im Pasinger Ebenböckpark. Dort ist beim Kino-Open-Air die oscarprämierte "Blechtrommel"-Verfilmung in der restaurierten Fassung zu sehen. Der Regisseur und der Schweizer Ausnahme-Schauspieler sind für ein Publikumsgespräch angekündigt. Der schöne Garten des Pasinger Stadtschlösschens ist einer der Schauplätze des Internationalen Münchner Filmfestes. Und man kann sagen, dass sich das Team der Pasinger Fabrik damit einen wunderbar dicken Fisch an Land gezogen hat fürs eigene Sommerfrische-Festival, das in den kommenden neun Wochen noch mehr bieten will als im ersten Corona-Jahr 2020. Offizieller Start ist am 22. Juni.

Eine der Filmfest-Filialen zu sein, das bedeutet für die Fabrikleute allerdings nicht nur Ruhm und Ehre, sondern auch eine technische Herausforderung. Anders als im Vorjahr wird nun eine überdachte Bühne im Ebenböckpark stehen mit großer Leinwand. "Wenn der Schlöndorff nicht käme, würden wir einfach einen kleinen Bildschirm da hinstellen", scherzt Florian Hoffmann, im Team für die Sparte Kabarett und Kleinkunst zuständig. Doch Schlöndorff kommt, Bennent kommt, auch Mathieu Carrière und Hans ("Hansi") Kraus. Denn sie alle sind Protagonisten im

Œuvre des Filmproduzenten Franz Seitz, der in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Das Filmfest ehrt ihn Anfang Juli mit einer sechsteiligen Reihe im Ebenböckpark (bei Schlechtwetter in der Pasinger Fabrik), auf die mit einer Uraufführung am 2. Juli eingestimmt wird. Anni Seitz, Filmemacherin und Enkelin des Produzenten, macht sich in ihrem Dokumentarfilm auf Spurensuche nach dem Lebenswerk ihres Großvaters, der dem Kino grandiose Literaturverfilmungen bescherte ("Die Blechtrommel", "Tonio Kröger", "Erfolg"), aber auch den Fack-yu-Göhte-Vorgänger der späten Sechzigerjahre, die "Lümmel"-Filme, und die "Lausbubengeschichten" nach Ludwig Thoma.

Auf der nunmehr überdachten Bühne im Ebenböckpark - im vergangenen Jahr mussten die Musiker dort ihre Instrumente bei Regen noch hektisch mit Plastiksäcken schützen - wird in diesen sommerfrischen Fabrik-Monaten noch jede Menge andere Kultur möglich sein. Zudem im Hof der Blutenburg und indoor in der Wagenhalle, wo die meisten Vorstellungen der eigenen Operetten-Produktion "Frau Luna" stattfinden. Das Fabrikteam um Geschäftsführer Frank Przybilla wird seine eh schon ausgefeilten Hygiene-Konzepte in Absprache mit den Behörden in den kommenden Wochen, auf Sicht, anpassen. Ob das Publikum dann während der Vorstellungen die Masken abnehmen darf, wird sich zeigen.

Bei der Erstauflage des Sommerfrische-Festivals 2020, erzählt Frank Przybilla, sei das Programmheft auf 40 Seiten angeschwollen gewesen. "Wir haben jeden Tag außer Montag gespielt, 96 Veranstaltungen." Jetzt, zwei Lockdowns und einen harten Winter später, geht Przybilla "auf der Felge", wie er sagt. Dabei hatte er sein Team gebeten, diesmal langsamer zu machen, etwas den Schongang einzulegen. Aber wer hört schon auf einen Chef, der selbst als Arbeitstier bekannt ist. Das Sommerfrische-Heft 2021 hat nun 60 Seiten, und gespielt wird jeden Tag, manchmal auch zwei Events hintereinander. Zudem ist die Fabrik noch Kooperationspartner der Stadtteilwoche Allach-Menzing-Pasing, die vom 25. Juni bis 4. Juli neben vielen anderen Spielorten auch den Ebenböckpark und die Wagenhalle pandemiekonform kulturell bevölkern will.

So viele Angebote. Wird sich das Publikum hungrig in die Pasinger Sommerfrische stürzen? Anders als im Juni 2020, als die Fabrik nahezu das erste Münchner Haus war, das wieder öffnete, ist der Kulturmotor ja nun überall in der Stadt angesprungen. Und vielerorts, beobachtet Thomas Linsmayer vom Fabrikteam, seien die Menschen, der langen kulturellen Entbehrung zum Trotz, noch zögerlich, ob nun aus Angst vor Ansteckung, oder weil schlicht das Geld knapp ist. Man steht also im Wettbewerb. Gut, wenn es da "Zugpferde" gibt wie Luise Kinseher, die am 22. Juni (19 Uhr) das Festival eröffnet. Auch Constanze Lindner (4. August) und Christian Springer (12. August) werden ihr Publikum finden. Doch auf Nummer sicher gehen war noch nie das Ding der Fabrik. So wird es im Juli italienisch-deutsche Jazztage geben, Mulo Francel ist dabei, oder der Gitarrenvirtuose Andrea Valeri. Die sehr erfolgreiche Stones-Ausstellung in der Fabrik verlangt nach Sound. Weil die Fabrik ihr Budget wohl 100 Jahre aufsparen müsste, um Jagger & Co. zu buchen, springt eine Coverband ein, zudem gibt's Konzertfilme mit den Originalen. Andere Geschmäcker, andere Musik, Klassik und der Ebenböckpark, das geht sehr wunderbar zusammen. Auch davon wird man sich in der Sommerfrische überzeugen können, ebenso gibt es Lesungen, Regentänzerinnen und sogar göttliche Lustspiele nach Heinrich von Kleist. Ob das Festival in seiner Open-Air-Form in den kommenden Jahren noch so stattfinden kann, ist indes offen. Und das hängt gar nicht mal von der Pandemie ab, sondern vom Kulturreferat. Denn das hat dort im Ebenböckhaus seine Residenzen für Künstler. Und die könnten sich ja gestört fühlen, wenn unter ihren Fenstern die Menschen die Kultur feiern.

Näheres zum Sommerfrische-Festival unter https://www.pasinger-fabrik.de.

© SZ vom 19.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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