Pasing:Schöner wohnen an den Schienen

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Auf dem früheren Stückgutgelände muss die GWG sparsam bauen, der Schallschutz soll trotzdem gut sein - ein Spagat

Von Andrea Schlaier, Pasing

Wer dieser 350 Meter langen Beton-Schlange von der Josef-Felder-Straße aus in den vergangenen Monaten beim Wachsen zugesehen hat, weiß, was Wolfgang Emrich mit einem "Angst-Riegel" meint. Nichts wäre leichter, als die Beton gewordene Fortsetzung der Pasing Arcaden auf dem ehemaligen Stückgutgelände in Richtung Innenstadt zu einem monströsen Schutzwall geraten zu lassen. Schließlich gilt es hier nicht nur, das Motorendröhnen der Nordumgehung Pasing (NUP) abzuwehren, sondern auch das kreischende Rattern auf den Gleisen am flankierenden Bahnnetzhauptstrang. Doch statt eine Trutzmauer gegen Verkehrslärm hochzuziehen, hat die Arbeitsgemeinschaft von Grassinger Emrich Architekten und delaossa architekten auf eine Art Relief aus Groß-Erkern gesetzt. Abschnittsweise soll zusätzlich Farbe der Lang-Achse den Schrecken nehmen.

Es war eine Herausforderung, an dieser exponierten Stelle 339 Wohnungen für die städtische Wohnungsbaugesellschaft GWG zu konzipieren. (Foto: Martino Hutz/OH)

Die Planer lassen keinen Zweifel aufkommen: Es war eine Herausforderung, an dieser exponierten Stelle 339 Wohnungen für die städtische Wohnungsbaugesellschaft GWG zu konzipieren. Am Wochenende haben Geschäftsführerin Gerda Peter und Christian Amlong als Sprecher der Geschäftsführung Mitglieder des Bezirksausschusses Pasing-Obermenzing über die Baustelle geführt. "Wir wollten einen geeigneten Zeitpunkt abwarten", sagt Amlong, "damit man schon was sehen kann".

Das Gros der Apartments entfällt auf geförderten Mietwohnungsbau. (Foto: Stephan Rumpf)

Nicht ohne Bauherren-Stolz leiten er und Peter die weiß behelmten Besucher durch ihr "derzeit größtes, bedeutendstes Vorhaben in der Stadt" mit 106 Millionen Euro Gesamtvolumen. Im nördlichen Bereich des Areals entstehen neben den 339 Ein- bis Vierzimmerwohnungen auch zwei Kitas, ein Nachbarschaftstreff und Büroräume für die Betreuung von Mietern in schwierigen Lebenssituationen.

Das Gros der Apartments entfällt auf geförderten Mietwohnungsbau, darunter ein sozial betreutes Wohnhaus für akut von Obdachlosigkeit bedrohte Menschen. 38 freifinanzierte Mietwohnungen komplettieren das Paket. Die sozialen Einrichtungen im Norden des Gebiets werden voraussichtlich im Oktober 2018 als erste bezogen, alles weitere folgt 2019. Eine "frühe Vernetzung" sowohl nach innen ins neue Quartier als auch nach außen zu den Alt-Pasingern hält Amlong für entscheidend für ein gedeihliches Miteinander. Christian Müller, SPD-Stadtrat und Vize im Pasinger Bezirksausschuss, der die Begehung initiiert hat, nickt: "Es ist wichtig, dass das soziale Gefüge zwischen den Arcaden und hier stimmt und ich denke, es kann gut werden, wird aber auch anspruchsvoll."

Die GWG-Chefs Christian Amlong und Gerda Peter. (Foto: Stephan Rumpf)

Das galt für die gesamte bauliche Umsetzung, die neben Mietermix eben auch das Spannungsfeld zwischen nördlicher Lärm-Flanke und grüner Promenade im Süden des Baufelds moderieren muss. Von den Arcaden und ihrem Paseo-Vorplatz kommend spannt sich ab 2019 eine Brücke aufs ehemalige Stückgutgelände und führt in einem breiten grünen Allee-Baum-Band bis vor zur alten Kuvertfabrik an der Landsberger Straße. Die nördliche Wohnarchitektur muss man sich dabei wie einen leicht geöffneten Reißverschluss vorstellen.

Mitglieder des Bezirksausschusses Pasing-Obermenzing nahmen an der Baustellenführung teil. (Foto: Stephan Rumpf)

Aus dem durchgehenden Riegel entlang der Josef-Felder-Straße wachsen in regelmäßigen Abständen wie die verdrehten Zinken eines Kammes Häuser. Sie sind der besseren Besonnung wegen leicht gedreht und korrespondieren mit im Süden diametral gegenüberliegenden Solitärhäusern. Klingt kompliziert, lässt sich bei der Begehung aber als vorteilhaft erfahren: durch das lose Gegenüber der Baukörper entstehen Innenhöfe, die einerseits offen sind und damit weite Sichtachsen sowohl zum grünen Süden der Anlage als auch nach Westen und Osten eröffnen. Gleichzeitig halten sie den öffentlichen Spaziergänger-Verkehr von der Promenade draußen.

Im nördlichen Bereich des Areals entstehen neben den 339 Ein- bis Vierzimmerwohnungen auch zwei Kitas. (Foto: Stephan Rumpf)

So wenig rechtwinklig die Innenhöfe, so unkonventionell sind mitunter die Grundrisse der Wohnungen. Im siebten Stock drängt sich die Gruppe im künftigen Wohnzimmer eines 70-Quadratmeter-Apartements. GWG-Projektleiter Stephan Weißenberger deutet auf die zwei hintereinander eingebauten Schallschutzfenster zur Josef-Felder-Straße hin. Nur die hielten das, was von Norden kommt, ab. Und sie eröffnen einen Postkarten-Blick auf die Münchner City samt Frauentürmen - wenn nicht grade Nebel in der Luft hängt.

Architekt Tobias De la Ossa spricht von der "großen Herausforderung, den Kostenrahmen zu halten zwischen sozialem Wohnungsbau und Schallschutzanforderungen". Christian Müller lobt das Ergebnis. Auch, dass die Tiefgarage mit ihren 242 Plätzen auf die Josef-Felder-Straße mündet, statt, wie ursprünglich geplant, auf die Offenbachstraße, wo auch der sensible Schulrad-Weg vorbeiführt. "Was vorne an der Offenbachstraße noch fehlt", so Müller, "ist das Kulturzentrum als Ersatz für den ehemaligen Kopfbau". Auch was dieses Konzept angehe, komme es aufs "gute Miteinander mit den Bürgern an."

© SZ vom 29.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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