Pasing:Rhythmus, bei dem jeder mit muss

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Drei Schlagzeuger und eine Flötistin des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks begeistern die Grundschüler im Sonderpädagogischen Förderzentrum

Von Jutta Czeguhn

Typisch, immer diese Schlagzeuger! Im Orchester findet man sie ganz hinten, am weitesten weg vom Dirigenten, weil sie die lautesten sind, aber wohl auch, weil sie dort unbemerkt Unsinn treiben können. Das ist im Konzertsaal nicht anders als im Klassenzimmer. So steht Natalie Schwaabe erst mal alleine in der Schulturnhalle am Pasinger Schererplatz. Sie ist natürlich pünktlich, schließlich ist sie Flötistin. "Peinlich, die haben schon wieder verpennt", sagt die Frau mit den halblangen, braunen Haaren ins Mikrofon. Vor ihr auf den Holzbänken und Turnmatten sitzen mit großen Augen und ein bisschen aufgeregt Grundschüler des Sonderpädagogischen Förderzentrums München-West. Offensichtlich warten Schwaabes Kollegen vom Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks darauf, von einer blechernen Lautsprecherstimme auf die Bühne gebeten zu werden. An diesem Vormittag übernehmen das nun aber die Pasinger Kinder: "Schlaaaaaaaagzeugeeeeeeer!"

Foto: Astrid Ackermann/BR (Foto: Astrid Ackermann; BR/Astrid Ackermann / oh)

Da der Schallpegel der Grundschüler locker mit dem des Rundfunkchores mithalten kann, hat der Ruf Markus Steckeler, Guido Marggrander und Christian Pilz unüberhörbar ereilt. Die Musiker stürmen in die Halle; in schwarzen Poloshirts statt im Frack schlagen sie furios auf Pappkartons statt auf Pauken, Trommeln oder Becken ein. Auch Flötistin Schwaabe macht mit. Kaum ein Augenblick vergeht und die Kinder haben den Rhythmus aufgenommen, klatschen und trampeln im Takt. Dann tosender Applaus und vier lächelnde Musiker, die kaum außer Atem sind. Schlagwerker sind Extremsportler, wenn man sie los lässt. "Die brauchen Muckis", erklärt Natalie Schwaabe den Kindern.

Faszinierend: Wenn die Schlagzeuger Guido Marggrander und Markus Steckeler loslegen, sind alle Kinder verzückt. (Foto: Astrid Ackermann/BR)

Im vierten Jahr hintereinander sind auch in diesem März Musiker des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks in bayerischen Schulen unterwegs. Das Konzert in Pasing ist Teil des sogenannten Education-Programms, das Projekte für Schüler aller Altersstufen anbietet; in diesem Jahr sind die Schlagzeuger zusammen mit der Flötistin auf Tour. Knapp 50 Grundschulen hatten sich um einen Besuch des Quartetts bewoben, fünf Schulen wurden ausgewählt, darunter das Förderzentrum.

Natalie Schwaabe, Flötistin im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, beherrscht auch das virtuose Spiel mit den Schlaglöffeln. (Foto: Astrid Ackermann /BR)

Natalie Schwaabe hat den Part des Conférenciers, ständig springt sie mit dem Mikro ins Publikum. Denn sie hat sehr aktive Zuhörer, und es sausen viele Finger in die Luft, wenn sie Fragen stellt. Etwa nach dem Namen einer seltsamen Trommel, die wie ein großer Holzbecher aussieht. "Die kommt aus Afrika", antwortet ein Junge stolz, der dort seine Wurzeln hat und hingerissen mitwippt, als sich Guido Marggrander und Christian Pilz ein Duell auf der Djembe liefern. Mit den Kindern auf "eine Entdeckungsreise" gehen, das sei so etwas wie der rote Faden dieses Projektes, erzählt Natalie Schwaabe: "Wir wollen das ganze Schlagwerk-Spektrum zeigen" - und das auf spielerische Weise. Acht Konzerte haben die Musiker bereits absolviert, anders als beim klassischen Konzertpublikum müssen sie ständig auf Überraschungen gefasst sein. "Ich liebe diese Spontaneität, die Kommentare der Kinder, es ist köstlich, was da kommt", schwärmt Natalie Schwaabe, die eigens für das Projekt einige Schlaginstrumente erlernt hat.

Foto: Astrid Ackermann/BR (Foto: Astrid Ackermann; BR/Astrid Ackermann / oh)

Es klopft, rasselt und rumst also gewaltig an diesem Vormittag in der Pasinger Turnhalle. Markus Steckeler etwa lässt Hunderte kleine Stahlkügelchen über das Fell der Ocean-Drum rollen und zu einem Meeresrauschen anschwellen. Seine Orchesterkollegen fegen mit bunten Klöppeln über Marimbas und Xylofone, dann traktieren alle vier in atemberaubender Geschwindigkeit beim Holzlöffelkonzert einen Tisch. Damit werden sie sicher Nachahmer finden im Publikum, das begeistert mitgeht, aber auch ganz still werden kann, als Natalie Schwaabe ihre Querflöte ansetzt und die Melodie von Ravels "Bolero" durch die Halle schlängeln lässt.

Und schließlich kommen die Kinder schnell drauf, als Natalie Schwaabe nach einem Instrument fragt, das einfach jeder von ihnen zu jeder Zeit bei sich hat und zum Klingen bringen kann: den eigenen Körper. Schon reiben hunderte Hände aneinander und bringen so den Wind zum Heulen. Oder schnippen mit den Fingern und lassen Regentropfen prasseln.

© SZ vom 22.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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