Pasing:Möglichst Penthouse-Lage

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Betreuter Ersatzfelsen: Ein Taubenschwarm wird beim Schlag am Münchner Hauptbahnhof gefüttert. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Standortsuche für einen Taubenschlag am Pasinger Bahnhof gestaltet sich schwierig

Von Jutta Czeguhn, Pasing

Eine Gruppe steht vor dem Pasinger Bahnhofsgebäude, die Leute haben den Kopf in den Nacken gelegt, wenden sich mal nach links, mal nach rechts. Dann ergreift einer von ihnen das Wort, die anderen rücken dichter heran, denn der Verkehrslärm schluckt jedes Wort. Sie lauschen keinem Stadtführer, sondern einem Experten der Deutschen Bahn für Schädlingsbekämpfung. Der erklärt ihnen etwas über das "Anflugverhalten" von Tauben. Aufmerksam folgen ihm Rüdiger Schaar und seine Kolleginnen und Kollegen aus dem Unterausschuss Umwelt des Bezirksausschusses. Sie haben DB-Bahnhofsmanagerin Mareike Schoppe und ihren Mitarbeiter zum Ortstermin gebeten. Es geht um einen Standort für ein Taubenhaus.

Die Vögel hat es am Pasinger Bahnhof immer gegeben. Seit der Renovierung des Bahnhofs und der Eröffnung der Pasing Arcaden aber ist dort nicht nur für die Menschen, sondern auch für die Tauben eine Art Gastro-Meile entstanden, eine Art Feinschmecker-Abteilung. Man sieht sie auf dem Dach des historischen Bahnhofsgebäudes sitzen, das für sie traditionell so etwas ist wie ihr Hangar, ihre Start- und Landebahn. Aber auch auf den Bahnsteigen haben sie es sich eingerichtet, dort schaffen sie es, Fakiren gleich, auf den Zuganzeige-Kästen Platz zu nehmen, trotz der spitzen Spikes, die dort überall zur Taubenabwehr angebracht sind. Auch die Netze, die an der Decke in der denkmalgeschützten Wartehalle gespannt sind, können Columba livia forma domestica, die gemeine Straßentaube, nicht davon abhalten, sich dort aufzuhalten. Wovon ihre Hinterlassenschaften am Boden zeugen, eine Taube soll es auf etwa zwölf Kilogramm Kot jährlich bringen.

Diese konventionellen Methoden zur Vogelabwehr scheinen ebenso unwirksam wie der viel belächelte Versuch vor einigen Jahren, die Tauben durch Falkenschreie aus den Bahnhofsmikrofonen in die Flucht zu schlagen und vom Brüten abzuhalten. Verworfen wurde inzwischen auch die Idee, statt der Konserve eine mobile Falknerei zu engagieren. Zu gefährlich für die Greifvögel angesichts der Oberleitungen und Glasfassaden im Bahnhofsumfeld, lautete ein Argument. Nun also konzentriert sich alle Hoffnung auf ein Taubenhaus.

Vorbilder sind die Taubenhäuser in Augsburg. Das sogenannte Augsburger Modell, entwickelt 1995, hat mittlerweile Schule gemacht. In einem betreuten Taubenschlag werden bebrütete Eier durch Attrappen ersetzt. Die Bewertungen darüber, wie effizient diese Form der Geburtenkontrolle ist, sind unterschiedlich. Der Schädlingsbekämpfer der Bahn jedenfalls, das lässt er die Gruppe beim Pasinger Ortstermin wissen, hat erhebliche Zweifel. Die Erfahrungen mit dem Taubenhaus am Münchner Hauptbahnhof seien eher enttäuschend gewesen. Nun kommen Zwischenrufe. "Der Schlag dort ist viel zu klein!", ist Monika Sebald überzeugt. Sie ist Sprecherin beim "Bund gegen Missbrauch der Tiere", zu der auch die Gruppe Freiwilliger gehört, die den Schlag am Hauptbahnhof betreut. Sie hat etliche Mitglieder der Taubenhilfe München mitgebracht, die den Wunsch der Pasinger, ein Taubenhaus am Bahnhof einzurichten, unterstützen wollen.

Rüdiger Schaar schreitet ein, als sich zwischen dem Bahnvertreter und den Tierschützern eine Grundsatzdiskussion über das Für und Wider von Taubenhäusern entwickeln will. Man sei hier, um einen möglichen Standort auszumachen, ruft er die Gruppe zur Raison. Als da wären das Flachdach auf dem Terminalgebäude im östlichen Bereich über dem Wolkentunnel auf Höhe der Autovermietung. Das Gebäude sei zu niedrig, kommt die Einschätzung vom DB-Schädlingsbekämpfer, und auch Bahnhofsmanagerin Mareike Schoppe hat Bedenken. In Frage kommen sollten für ein Taubenhaus nur deutlich erhöhte Standorte. Somit würde auch ein Stromverteilerhäuschen südlich von Gleis 1 neben der Nordumgehung ausscheiden, das seit längerem im Gespräch ist.

Als Standortoption soll deshalb im südlichen Bereich des Bahnhofs das Hochhaus geprüft werden, das gerade saniert wird. Man will auf die GEG, den neuen Eigentümer des Areals, zugehen, ebenso auf die Eigentümer der Pasinger Hofgärten, deren Dächer bei den Tauben ebenfalls ein beliebter Treffpunkt sind. Diese privaten Flächen, so Rüdiger Schaar, werde man aber erst ins Blickfeld nehmen, wenn es mit der Bahn zu keiner Einigung kommt. DB-Bahnhofsmanagerin Mareike Schoppe sagte den Vertretern des Bezirksausschusses zu, die Standorte auf dem Bahngelände in Bezug auf Statik und Zugänglichkeit überprüfen zu lassen, nicht nur das Stromverteilerhäuschen bei Gleis 1, sondern auch zwei Flächen östlich und westlich auf dem neuen Terminalgebäude. Idealer Standort aber für einen Schlag, so sehen es jedenfalls die Ortspolitiker und die Taubenschützer, wäre ein Raum im Dachgeschoss des historischen Hauptgebäudes.

© SZ vom 12.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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