Pasing:Leben mit der Baustelle

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Kräne und Gerüste in Pasings Mitte: Direkt am Bahnhof entsteht ein neuer Appartementkomplex. Die Bewohner der Bestandsgebäude müssen einiges aushalten - sie haben sich nun zu einer Mietergemeinschaft zusammengeschlossen

Von Jutta Czeguhn, Pasing

An dieser Baustelle am Bahnhofsplatz vis-à-vis der Arcaden kommt niemand vorbei. Zwei Riesenkräne drehen sich über eingerüsteten Rohbauten. Dazwischen stehen die beiden Wohntürme einer Anlage aus den Sechzigerjahren. "Pasing Central" nennt sich das Projekt, im ökonomischen Herzen des Stadtviertels entstehen ein Neubaukomplex mit 66 Eigentumswohnungen, ein neues Wohn- und Geschäftshaus mit Einzelhandel, Gastronomie und zwölf geförderte Mietwohnungen. Was bei Passanten ungläubiges Staunen hervorruft: Inmitten dieser Baustelle- in den Bestandsgebäuden Bäckerstraße 1 und 3 - leben und arbeiten Menschen.

Sie haben sich nun zu einer Mietergemeinschaft zusammengetan. Unter dem Dach eines Vereins wollen sie alles regeln, was ihr Dach über dem Kopf angeht. Und ihre Rechte einfordern gegenüber der Investorgruppe, der DIC Asset AG.

Bei der Gründungsversammlung am 20. Januar im Pasinger Rathaus sitzen Nachbarn an einem großen Tisch. Über Telefonketten haben sie sich zusammengerufen, Klinken geputzt, Flyer in die Briefkästen gesteckt. Manche duzen sich, kennen sich seit Jahren, andere nur vom Sehen. Willy Schneider leitet die Sitzung routiniert, es ist nicht seine erste Gründungsversammlung. Als Mitglied im Mieterbeirat der Landeshauptstadt hat er schon etlichen dieser Selbsthilfevereine ins Lebens geholfen. Oft bedarf es da eines sanften, aber bestimmten Schubes. Auch diesmal.

"Pasing Central" heißt das Bauprojekt südlich der Arcaden. Hier entstehen Eigentumswohnungen. (Foto: Robert Haas)

Denn in den Gesichtern sieht er nicht nur Entschlossenheit und Kampfgeist, da ist auch Verunsicherung. Vor eineinhalb Jahren hatte Schneider schon einmal vergeblich versucht, Leute aus der Bäckerstraße 1-3 zur Gründung einer Mietergemeinschaft zu bewegen. "Einzelkämpfen ist immer schlecht", sagt er in die Runde. Um den Anwesenden zu versichern, dass sie nicht alleine dastehen, begrüßt er auch Romanus Scholz, den Vorsitzenden des Bezirksausschusses Pasing-Obermenzing. Zudem ist Martin Böhm gekommen, Rechtsanwalt vom Verein "Mieter helfen Mietern".

Dass die Sache mit der Mietergemeinschaft nun doch noch eine Dynamik bekam, hat viele Gründe. In der Versammlung kommen sie nach und nach auf den Tisch, nachdem alle Formalia geklärt sind. Langsam tauen nun auch die Skeptiker auf, man beginnt, sich auszutauschen über die Erfahrungen mit der Baustelle. Petra Novak etwa berichtet von bislang vergeblichen Versuchen, beim Vermieter eine Mietminderung zu erwirken. Zentrales Problem ist offenbar der Baustellenlärm: Wie detailliert müsse denn das Lärmprotokoll sein, das der Vermieter fordere? Wer besitze schon ein Dezibel-Messgerät? Es gibt Beschwerden über die Betriebszeiten der Baustelle, die unlängst den Bezirksausschuss und die Pasinger Polizei erreicht haben. Einige Mieter klagen über Schlafprobleme, ausgelöst vom Licht der Baustellenscheinwerfer. Es geht um Balkone und Kellerabteile, die nicht mehr benutzt werden könnten, um die Reinigung der Treppenhäuser. Vor allem aber werden an Willy Schneider und Martin Böhm Sorgen über eine Asbestsanierung im Wohn- und Geschäftshaus Bäckerstraße 3 herangetragen. Offensichtlich wurde schadstoffbelastetes Baumaterial bei der Errichtung des Komplexes verwendet, das nun im Zuge der Renovierungsarbeiten entfernt wird. Etliche der Betroffenen fühlen sich nicht ausreichend informiert. Was, wenn auch in der eigenen Wohnung Asbest verbaut ist? Grundsätzlich wünschen sie sich mehr Informationen vom Vermieter.

Der Altbestand an Wohnungen, zu dem auch die Bäckerstraße 3 gehört,wird saniert. (Foto: Robert Haas)

Willy Schneider notiert Frage um Klage, und man sieht ihm die Erleichterung an, als die Vereinsgründung geschmeidig über die Bühne geht. Ein Vorstand ist gewählt, und er kann die Versammlungsleitung an Petra Novak, die Vorsitzende, übergeben. Die Mitglieder der neuen Mietergemeinschaft Bäckerstraße 1-3 kommen überein, dass man mit dem Vermieter gemeinsam nach Lösungen suchen möchte. Auf SZ-Nachfrage versichert Peer Schlinkmann von der DIC Asset AG Kooperationsbereitschaft gegenüber den Mietern: "Wir sind intensiv bestrebt, Unannehmlichkeiten für die Mieter während der Bauphase auf ein unvermeidliches Minimum zu begrenzen und haben dies in den Verträgen und im ständigen Austausch mit den beteiligten Firmen sichergestellt." Vor allem aber stehe man mit den Mietern "kontinuierlich im Dialog". Erst Anfang Januar habe es erneut einen Brief an die Mieter und die Ankündigung einer weiteren Infoveranstaltung gegeben. "Zudem gibt es für die Mieter sowohl einen persönlichen Ansprechpartner als auch eine Mailbox für alle individuellen Anliegen", so Schlinkmann.

Was die bevorstehenden Asbestsanierungen angehe, habe man alle Mieter Mitte Dezember darüber informiert. Einen weiteren Mieterbrief habe es in der zweiten Januarwoche gegeben. "Die Sanierungen beziehen sich nicht auf die vermieteten Wohnungen, sondern ausschließlich auf einige der Leerstandswohnungen, in denen jetzt Boden- und Wandbeläge aus der Zeit des Erstbezugs in den Sechzigerjahren ausgetauscht werden", teilt Schlinkmann mit. Die Arbeiten seien im Januar angelaufen und würden in Kürze abgeschlossen. Und zu den Betriebszeiten der Baustelle stellt er klar: Dort werde "üblicherweise" montags bis freitags im Zeitraum 7 bis 20 Uhr gearbeitet und in Einzelfällen auch samstags im Zeitfenster 7 bis 18 Uhr. "In der noch bis Februar andauernden Rohbauphase kann es an einzelnen Tagen durch Betonage-Arbeiten und den Einsatz von Betonpumpenfahrzeugen auch zu länger anhaltenden Arbeiten kommen. Diese Arbeiten müssen aus technischen Gründen ohne längere Unterbrechungen am Stück durchgeführt werden." Sie würden den Bewohnern vorab angekündigt.

Gelegenheit, den Mietern Informationen aus ersten Hand zu geben, hat der Investor am 5. Februar, da findet im Pasinger Rathaus die nächste Versammlung der neuen Mietergemeinschaft Bäckerstraße 1-3 statt. Vertreter der DIC Asset AG sind eingeladen.

© SZ vom 27.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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