Pasing:Kunst im Vorübergehen

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In den vergangenen vier Jahren hat das Pasinger Zentrum auch kulturell an Profil gewonnen. Im Juli steht mit "Pasing By" das letzte einer Reihe städtisch finanzierter Projekte an

Von Jutta Czeguhn, Pasing

Kunstwerke im öffentlichen Raum werden oft nur im Vorübergehen wahrgenommen. Oder sie geraten zu Stadtmöbeln, auf denen man wie selbstverständlich Platz nimmt. "Passing by" heißt es im Englischen, und das kann örtlich wie zeitlich übersetzt werden, also "im Vorübergehen" oder "vorübergehend". Mit diesen Bedeutungen spielt der Titel "Pasing By", den ein von der Stadt mit 180 000 Euro finanziertes Kunstprojekt für das Pasinger Zentrum trägt. Vom 3. bis 12. Juli werden 17 Künstlerinnen und Künstler dort maßgeschneiderte Werke vorstellen, manches wird bleiben, manches wie etwa eine Kurzoper wird flüchtigen Charakter haben. Derzeit wird mit Hochdruck an den Installationen, Inszenierungen und Kunstwerken gearbeitet. Einzelheiten sind noch nicht aus den Ateliers durchgedrungen.

Jedenfalls handelt es sich bei "Pasing By" um den letzten verbliebenen Baustein des vom Stadtrat beschlossenen Kunstkonzepts für Pasings umgestaltete Mitte, diesmal auf Privatgrundstücken. Gerade mal erst vier Jahre ist es her, dass neue Kunst nach Pasing kam: Zuerst wurde im Dezember 2011 für 120 000 Euro Projektkosten der Osttunnel im Bahnhof zu einem Wolkenhimmel gekachelt. "Sieben Flieger", so der Titel des Werks, haben das Künstlerinnen-Duo Stefanie Zoche und Sabine Haubitz auf 7500 Spezialfliesen versteckt. Der blauweiße Tunnel hebt die Laune. Die Kacheln sollen graffiti-abweisend sein, aber irgendwie haben die Sprayer ohnehin Respekt und lassen die Wände weitgehend in Ruhe. Die Künstlerinnen haben das Wolkenpanorama für den keramischen Fotodruck in den Bergen aufgenommen. Bei der Durchfahrt des Tunnels muss man nun an Sabine Haubitz denken, die die Alpen sehr geliebt haben muss. Im März 2014 ist sie bei einer Skitour im Engadin tödlich verunglückt.

Intergalaktischer Flugtransporter? Umgestülpter Wok? Kunstinstallation? Nein, ein neues Spielgerät am Pasinger Rathausplatz. (Foto: Lukas Barth)

Werk zwei kam im Mai 2013, es ist der interaktive Springbrunnen des Dänen Heppe Hein auf dem Platz zwischen den beiden Arcaden-Bauten. Den offiziellen Namen dieses Kunstwerks kann sich kein Mensch merken ("Spaces between Trees and People"). Die plätschernde Installation aus 885 Einzeldüsen, die in einem programmierten Rhythmus 2,3 Meter hohe Wasserwände erzeugen, heißt bei den Pasingern längst einfach Arcaden-Brunnen. Das geht in Ordnung, denn die ShoppingMall-Betreiber haben von den 700 000 Euro Anschaffungskosten 300 000 bezahlt.

Werk drei fällt fördertechnisch aus dem Rahmen, denn die Stadt hat kaum etwas bezahlt für den "Tunnelblick" in der Unterführung am Hermann-Hesse-Weg, jenes Pasinger Geschichten-Panorama mit 90 Metern Spannweite. Der Künstler Martin Blumöhr bekam seinen kargen Lohn aus einem bunten Topf, gespeist von privaten Spendern, vom Verein Kulturforum München-West und dem Bezirksausschuss Pasing-Obermenzing. Vom Baureferat gab es immerhin die Materialkosten.

Szene aus der Kurzoper "Viola" für das Kunstprojekt "Pasing By". (Foto: Mathis Nitschke/oh)

In die Kategorie neu, aber ebenfalls nicht aus dem Kunstkonzept-Budget gefördert, gehört auch die Stahlskulptur "Leerer Stuhl" von Marlies Poss und Blanka Wilchfort. Sie steht seit Januar zwischen dem Altem Pasinger Rathaus und dem Bürgerzentrum und erinnert an jüdische Pasinger, die während der NS-Diktatur entrechtet und ermordet wurden. Auch für diese Kunst gab es private Förderer wie das Kulturforum München-West.

Ist das Kunst? Das fragen sich seit einiger Zeit Passanten, wenn sie auf dem Rathausplatz an der Landsberger Straße stehen und eine in den Boden eingelassene Edelstahlkuppel betrachten. Das Ding hat einige Meter Durchmesser und sieht aus wie ein Flugkörper interplanetarischer Mini-Besucher - oder ein umgestülpter Riesen-Wok. Mit Sicherheit lässt sich ausschließen, dass eine Jury von Quivid, der städtischen Kommission für Kunst am Bau und im öffentlichen Raum, ihre Finger im Spiel hatte. Abgesehen davon aber ist der Stahldom sehr wohl irdischen, städtischen Ursprungs: Es handelt sich um ein Gerät für den neuen Spielplatz, der vor dem Rathaus gerade entsteht. Kinder werden darauf balancieren und herunterrutschen können. Also auch eine Kunst.

© SZ vom 30.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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