Pasing:Gericht fährt Stadt in die Parade

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Solange noch ein Gutachten aussteht, müssen die Eigentümer des Riegerhofs nicht in dessen Erhalt investieren - möglicherweise dürfen sie dann sogar das Einzelbaudenkmal im geschützten Ensemble des ehemaligen Pasinger Ortskerns abreißen

Von Jutta Czeguhn, Pasing

Ein Etappensieg? Ingrid Rieger ist skeptisch. Noch stehe ja das Gutachten aus, sagt sie. Das Verwaltungsgericht München hat jetzt in einem Eilverfahren entschieden, dass sie und ihr Mann Martin als Eigentümer des Riegerhofs vorerst nicht in den Erhalt des alten Baus investieren müssen. Es geht um das einzige noch verbliebene, ehemals landwirtschaftlich genutzte Anwesen auf der Westseite der Planegger Straße. Die Riegers wollen das marode Gehöft abreißen lassen, die Landeshauptstadt will das verhindern, denn der Hof ist ein Einzelbaudenkmal im denkmalgeschützten Ensemble "Ehemaliger Ortskern Pasing".

In seiner Substanz sei der Hof wohl 200 Jahre alt, schätzt Ingrid Rieger. Bis 1977 hatten sie und ihr Mann auf dem Anwesen gewohnt, dann übersiedelten sie nach Langwied, wo sie sich einen Aussiedlerhof aufbauten. Der Hof verfiel unterdessen weiter, weil die Riegers nichts mehr investierten, sondern das Anwesen an einen Marmor-Händler vermieteten. All die Jahre habe das die Denkmalschutzbehörden nicht interessiert, sagt Ingrid Rieger. Als Martin Rieger schließlich einen Antrag auf Beseitigung des Gebäudes stellte, hat diesen die Stadt im November 2015 abgelehnt. Das Ehepaar klagte daraufhin beim Verwaltungsgericht München gegen diesen Bescheid. Die Landeshauptstadt hob den Bescheid in der Folge zwar zunächst auf, weil das Gericht Zweifel geäußert hatte, ob das Gebäude noch als Einzelbaudenkmal anzusehen sei. Doch dann kam von der Stadt ein neuerlicher Bescheid, mit dem den Riegers der Abbruch des Gehöfts untersagt wurde. Die Riegers begaben sich erneut auf den Klageweg.

Der Riegerhof war zuletzt ziemlich heruntergekommen. (Foto: Robert Haas)

Im vergangenen April hat den Fall nun die achte Kammer des Verwaltungsgerichts München verhandelt. Zuvor hatte sich die Vorsitzende Richterin Marion Pauli-Gerz bei einem Ortstermin ein Bild vom Zustand des Anwesens machen können. Auch sie ließ Zweifel durchblicken, ob der Riegerhof als einzig noch verbliebenes landwirtschaftliches Anwesen auf der Westseite der Planegger Straße das Ensemble dort retten könne. "Daneben hat man sich eine Moschee gegönnt und fünfgeschossigen Wohnungsbau", sagte die Richterin damals und zitierte die aktuelle Gesetzeslage zum Ensembleschutz: "Fehlt es in einem Teilbereich des Ensembles an historischer Bausubstanz, die das Ensemble prägen könnte, liegt insoweit ein denkmalgeschütztes Ensemble nicht mehr vor." Das Gericht forderte ein Gutachten an, das klären soll, ob der Riegerhof saniert werden könnte. Dieses soll nun bis zum 31. Dezember fertig werden.

Die Riegers selbst hatten dem Gericht bereits ein Gutachten vorgelegt. Ihr Sachverständiger hatte festgestellt, dass für den Wirtschaftsteil und den Stall akute Einsturzgefahr bestehe: Stahlträger im Kappengewölbe seien gebrochen, die Korrosion weit fortgeschritten. Deshalb nutzt der Marmorhandel heute auch nur noch den Außenbereich. Was den Wohnbereich betrifft, so ist der seit einem Brand im Jahr 2011 unbenutzbar, laut Gutachter zudem schadstoffbelastet.

Verfallen, teilweise abgebrannt und nur für teures Geld zu retten: Der Riegerhof in Pasing ist in denkmalschützerischer Hinsicht ausgesprochen wertvoll, aber für die Eigentümer nur schwer zu erhalten. (Foto: Robert Haas)

Eine Vertreterin der Unteren Denkmalschutzbehörde, die beim Planungsreferat der Stadt angesiedelt ist, hatte vor Gericht erklärt, dass es "unzählige gelungene Beispiele" dafür gebe, wie historische landwirtschaftliche Anwesen in Wohnnutzung umgewandelt werden könnten. Den Riegers seien viele Möglichkeiten eröffnet worden, wie beispielsweise Fördermittel aus Entschädigungsfonds. Damals hatte Rieger-Anwalt Michael Hauth diese Angebote mit einer Frage gekontert: "Würden Sie sich mit 3,5 Millionen Euro verschulden, um dieses Ding wieder herzustellen?"

In diesem Oktober, noch bevor also das vom Gericht angeforderte Gutachten vorlag, hatte die Landeshauptstadt die Riegers unter Androhung von Zwangsgeld in Höhe von insgesamt 75 000 Euro verpflichtet, Erhaltungsmaßnahmen am Gebäude vorzunehmen. Vor allem die Reparatur des Dachs sei angesichts des kommenden Winters geboten, um den Hof zu erhalten, hieß es damals. Das hat das Verwaltungsgericht nun für "weder verhältnismäßig noch für die Eigentümer zumutbar" erklärt und darauf hingewiesen, dass der Stadt spätestens seit dem Sommer 2015 die Sturm- und Brandschäden bekannt gewesen seien. "Seitdem habe die Landeshauptstadt aber nicht ernsthaft versucht, Schutzmaßnahmen durchzusetzen. Die Landeshauptstadt hätte vielmehr die Möglichkeit in Betracht ziehen müssen, eine Abbrucherlaubnis zu erteilen", heißt es seitens des Gerichts. Letztlich habe sich die Landeshauptstadt auch nicht mit den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Eigentümer auseinandergesetzt.

Die Lokalbaukommission will sich mit dieser Einschätzung nicht abfinden, sie hat am Donnerstag Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingelegt.

Die Riegers warten nun auf deren Ausgang und auf das Ergebnis der Expertise. Wenn sich ein Käufer für das Anwesen finden würde, sagt Ingrid Rieger, müsste der Riegerhof ja nicht abgerissen werden. Doch kann sie sich nicht vorstellen, dass jemand dieses finanzielle Abenteuer eingehen würde: "Von außen schaut's besser aus als von innen."

© SZ vom 23.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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