Pasing:Eine Frage des Geldes

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Abschied: Auch den letzten Bau auf dem ehemaligen Stückgutgeländ soll nun die Abrissbirne treffen. (Foto: Stephan Rumpf)

Kommunal- und Kulturausschuss der Stadt empfehlen den Abriss des alten Kopfbaus auf dem ehemaligen Stückgutgelände der Bahn in Pasing. Ein geplantes Kulturzentrum soll nun in einen Neubau integriert werden

Von Jutta Czeguhn, Pasing

"Kultur zahlt sich nie aus." Man hat noch im Ohr, wie Gudrun Koppers-Weck diesen Satz ausgesprochen hat. Nicht larmoyant, sondern nüchtern im Ton, aber unmissverständlich, wie es die Art der inzwischen verstorbenen SPD-Politikerin war. Fast auf den Tag zwei Jahre ist es nun her, dass die damalige Kulturbeauftragte im Bezirksausschuss Pasing-Obermenzing für den Erhalt des alten Kopfbaus auf dem ehemaligen Stückgutgelände an der Landsberger Straße plädierte. Das fünfstöckige Gebäude stand damals zwischen riesigen Erdwällen auf dem abgeräumten Baugrund verloren herum. Nicht schön, mit seiner langweiligen Nazi-Architektur nicht einmal denkmalwürdig und ziemlich baufällig. Aber eben Zeuge der nicht unspannenden Pasinger Eisenbahngeschichte. Und nicht nur aus Sicht von Gudrun Koppers-Weck ein idealer Ort für ein Kulturzentrum am Rande des geplanten Quartiers mit 550 Wohnungen. Bereits im Sommer 2013 dachte die Stadt laut über den Abriss des Kopfbaus nach. Nun, zwei Jahre später, ist es wohl beschlossene Sache. In der vergangenen Woche haben die Stadträte aus Kostengründen dafür gestimmt.

Es schickt sich nicht, darüber zu spekulieren, was Gudrun Koppers-Weck wohl dazu gesagt hätte, dass ausgerechnet von der SPD-Fraktion in der gemeinsamen Sitzung von Kommunal- und Kulturausschuss am 16. Juli der Antrag kam, "den Erhalt des Kopfbaus nicht weiter zu verfolgen". Statt dessen soll das Kulturzentrum nun in einen Neubau integriert werden, der auf dem Grundstück der städtischen Wohnungsgesellschaft GWG geplant wird. Dem Antrag wurde von einer Mehrheit aus SPD, CSU und Bürgerlicher Mitte stattgeben, der endgültige Beschluss soll in der Vollversammlung des Stadtrates am 29. Juli fallen.

Als sich Koppers-Weck und ihre Kollegen im Bezirksausschuss 2013 für Erhalt und Umbau des Kopfbaus zum Kulturzentrum aussprachen, war die Kostenfrage noch ungeklärt. Würde ein Neubau weniger als die knapp vier Millionen Euro kosten, die für die Sanierung veranschlagt waren? Inzwischen hat das Planungsreferat diese Frage eindeutig mit Ja beantwortet. Die Mitglieder der Doppelausschuss-Sitzung bekamen am 16. Juli Zahlen gegenübergestellt: Für den Erhalt und die Sanierung des Kopfbaus wurden nunmehr circa 4,8 Millionen Euro errechnet, für die kulturelle Nutzung integriert in einen Neubau knapp 2,1 Millionen Euro. Rein wirtschaftlich betrachtet also eine klare Sache. Zudem der Hinweis des Referates, dass "in einer Neubaulösung die Erschließungssituation - insbesondere im Bereich der Tiefgarage - räumlich, funktional und statisch optimiert werden könnte". Und: Man müsste sich keine Gedanken über Unabwägbarkeiten etwa hinsichtlich der Statik des 1938 errichteten Kopfbaus machen.

So eindeutig diese Ausführungen, so überraschend die Bewertung des Planungs- und Kommunalreferates und der Entscheidungsvorschlag, den sie den Ausschussmitgliedern nahelegten: Der Kopfbau sei "ein bedeutsames Erinnerungsstück" für Pasing. Obwohl kein Baudenkmal, hätten sowohl der Heimatpfleger als auch das Landesamt für Denkmalpflege "aufgrund der stadtbildprägenden Wirkung" den Erhalt befürwortet. Dem schließe man sich an. Wesentliches Ziel des Städtebaus sei eine "trittsteinartige Kette" identitätsstiftender, historischer Gebäude entlang der überformten Bahnachse". Der Erhalt des Kopfbaus könne gerade an dieser Stelle, in einem neuen Wohnquartier, einen wichtigen Beitrag zur bürgerschaftlichen Integration in Pasing leisten."

"10 000 Euro je Quadratmeter kann ich mit einem sparsamen Einsatz von Steuergeldern nicht verantworten", rechtfertigt Stadtrat Christian Müller (SPD) seine Entscheidung und die seiner Fraktion. Müller, bis Frühjahr 2014 Vorsitzender des Bezirksausschusses in Pasing-Obermenzing, sieht entscheidende Vorteile in der Neubaulösung, die 57 Prozent günstiger als der Erhalt des Kopfbaus ausfallen würde und für die sich auch die Stadtkämmerei ausgesprochen hat.

Geplant ist damit nun im Erdgeschoss ein 100 Quadratmeter großer Saal mit circa 90 Sitzplätzen, was in etwa dem Bürgersaal im Kopfbau entsprochen hätte. Zudem soll es ein Foyer mit Garderobe geben, eine Küche mit Ausschank, des weiteren ein Büro, Toiletten, zwei Gruppenräume mit je 40 und 30 Quadratmetern, dazu Lager und ein Putzraum. Nicht vorgesehen in dieser Planung sind Ateliers, ein lange gehegter Wunsch der Politiker und Kreativen im Stadtteil. Das Konzept für den Kopfbau, in dem früher als Zwischennutzer Künstler beheimatet waren, hatte vier Ateliers enthalten. Auch die im Viertel dringend benötigten Musikräume, denen in der Kopfbau-Variante 180 Quadratmeter zugestanden waren, wird es im Neubau nicht geben. Im Planungsdeutsch liest sich das nun so: Das Kulturangebot im Neubau sei "auf den vor Ort festgestellten Mindestbedarf abgestimmt".

© SZ vom 22.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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