Pasing:Bahn muss Demonstrationen dulden

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Laut Karlsruher Verfassungsrichter sind Orte wie der Pasinger Bahnhofsplatz keine meinungsfreien Zonen

Von Jutta Czeguhn, Pasing

Auf dem Platz zwischen Pasinger Bahnhof und dem Shopping-Tempel Pasing-Arcaden sind vor allem an Samstagen Tausende Menschen unterwegs. Sie eilen zu den Zügen, zum Einkaufen, sitzen in der Sonne vor dem Café Alex. Manchmal gibt es dort Werbeaktionen, Weihnachtsmarkt-Buden, Flohmarkt-Tische. Sogar Bungee- Jumper hat man schon gesehen. Und zuweilen wird auf dem Platz auch demonstriert. Am vergangenen Samstag etwa, als die Partei "Die Rechte" dort eine Kundgebung abhielt, gegen die sich wiederum Protest formierte. Der Bahnhofsplatz ist ein Terrain, auf dem sich die Münchner Stadtgesellschaft trifft, um mehr oder weniger lautstark Positionen zu verhandeln. Also ihre Grundrechte der Versammlungs- und Meinungsfreiheit an einem öffentlichen Ort ausübt? Ja - und nein.

Die Sache ist ein wenig komplizierter, denn: Abgesehen von den Verkehrsflächen für Autos und Tram, befindet sich der Bahnhofsplatz weitgehend in privater Hand. Grundstückseigner sind dort die Deutsche Bahn AG und die Betreiber der Pasing-Arcaden, die Essener Management für Immobilien AG (Mfi). Wer auf ihren Flächen sein Demonstrationsrecht in Anspruch nehmen will, kollidiert zunächst einmal mit deren Grundrecht auf Eigentumsfreiheit. Bahn wie auch Mfi definieren ihren Grund als meinungsfreie Zone. Im Fall der Kundgebung für ein "Deutsches München" am vergangenen Samstagnachmittag hatte die Partei "Die Rechte" ihre Demo beim Kreisverwaltungsreferat für die Örtlichkeit Bahnhofsplatz 6 angemeldet. Das ist die Fläche unmittelbar vor dem Café Alex, die sich im Besitz der Mfi befindet. Laut Florian Schmelmer, Sprecher beim Kreisverwaltungsreferat, hat das Unternehmen aber deutlich gemacht, dass es die Veranstaltung der Rechten auf seinem Grund nicht dulden wolle. "Dann haben wir das quasi auf den Bahnhofsplatz 8 verlegt", sagt Schmelmer, also eine Hausadresse weiter auf das Gelände der Deutschen Bahn. Der Betriebsleiter dort sei darüber informiert worden. "Wir verlegen schließlich nicht wild drauflos", betont der KVR-Sprecher.

Anders als die Arcaden hat die DB zugelassen, dass der Rechtsextremist Philipp Hasselbach auf dem Bahnhofsplatz vorfuhr, um dort in Begleitung einiger Gesinnungsgenossen seinen Stand aufzubauen und mit der Verkündung seiner Parolen zu beginnen. Eingekreist von einem Ring Bundespolizisten. Und im Weiteren von Gegendemonstranten, die unter anderem die Initiative "München ist bunt" und der BR-Radiomoderator Matthias Matuschik mobilisiert hatten. Etwa 200 Leute hatte die Demo und Gegendemo am Ende.

Die Frage, ob sich die DB nicht ebenso wie die Pasing Arcaden auf ihr Hausrecht hätte berufen und sich so die Demo vom Hof hätte halten können, beantwortet Bahnsprecher Franz Lindemair mit Nein: "Wir hatten keine rechtliche Handhabe." Er verweist auf das sogenannte Fraport-Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2011. Dieses war im Fall einer Abschiebe-Gegnerin gesprochen worden, die in einer Abflughalle des Frankfurter Flughafens Handzettel verteilte und von der Fraport AG daraufhin Hausverbot bekam. Die Richter urteilten, dass auch auf Flughäfen und Bahnhöfen in "zu öffentlichen Foren ausgestalteten Bereichen", sofern es sich nicht um Verkehrsflächen handelt, das Recht auf Versammlungsfreiheit zu gelten hat.

© SZ vom 28.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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