Pasing:Alles muss raus

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Vorbereitungsarbeiten für den Abriss: Am Dienstagmorgen waren Gerüstbauer an der Fassade des Pasinger Kopfbaus zugange. (Foto: privat)

Der Abriss des Kopfbaus auf dem ehemaligen Pasinger Stückgutgelände steht unmittelbar bevor. Derzeit wird das Gebäude entrümpelt und entkernt, dann sollen die Bagger anrücken

Von Jutta Czeguhn, Pasing

"Help, es geht los!", schreibt am Montagnachmittag Birgitt Schmitt-Walter alarmiert in einer Ketten-Mail an andere Mitstreiter, die sich für die Rettung des alten Kopfbaus an der Offenbachstraße einsetzen. Sie wiederum hat ein Hilferuf per Mobil-Telefon von Almuth David erreicht, die gerade beim Kopfbau steht und beobachtet, wie Arbeiter Schutt aus dem Gebäude tragen und in blaue Container werfen. Alte Teppiche, Bodenbeläge, Türen, Heizkörper, Neonleuchten und Rigipswände. Steht der Abriss nun unmittelbar bevor? Am nächsten Morgen, Dienstag, sind Gerüstbauer am Kopfbau zu Gange. Planen werden angebracht. Fragt man den Vorarbeiter, zu welchem Zweck die Fassade eingerüstet wird, erhält man eine überraschende Antwort: "Ein neues Dach."

Diese Aussage ist so abwegig, dass noch nicht einmal die Optimisten unter den Kopfbau-Aktivisten ihre Hoffnungen dranhängen. Denn alle Zeichen stehen auf Demontage. Bernd Plank, Sprecher des Kommunalreferats, erklärt die aktuellen Vorgänge auf dem ehemaligen Stückgutgelände, das nun für die geplante Bebauung - über 200 Wohnungen werden entstehen - endgültig freigeräumt werden soll: "Die von den Anwohnern beobachteten Entkernungsmaßnahmen sind der erste Schritte des eigentlichen Abrisses. In einem Gebäude dieses Alters sind erfahrungsgemäß Stoffe verbaut, die gesondert entsorgt werden müssen." Erst wenn das Gebäude komplett entkernt sei, könne der Bagger anrücken, um die verbliebenen Außenmauern abzureißen. Von Plank erfährt man zudem, was es mit der eingerüsteten Fassade auf sich hat: Zur Entkernung gehöre auch die Entfernung der Fenster, außerdem könne so der Bauschutt aus den oberen Stockwerken leichter entsorgt werden.

Ein genaues Datum, wann es mit dem Abriss losgeht, kann der Sprecher des Kommunalreferats nicht nennen. Das hänge vom Fortgang der vorbereitenden Arbeiten ab. Plank kündigt an, dass die mit dem Abriss beauftragte Firma "alle verkehrlichen Sicherungsmaßnahmen" durchführen werde. Der Fahrradweg an der Offenbachstraße, der direkt am Kopfbau und an der Baustellenzufahrt zum Stückgutgelände liegt, werde gesondert eingehaust, zudem werde ein Lotsendienst eingesetzt, der die Ein- und Ausfahrt der Baufahrzeuge regelt.

Trotz der im Sommer 2015 vom Stadtrat erteilten Abbruchgenehmigung hatte es im Viertel Hoffnung gegeben, der Kopfbau könnte erhalten werden. Mehr als 1000 Unterschriften brachte eine Initiative zusammen. Sie sieht in dem 1938 errichteten Gebäude ein wichtiges Glied in einer Kette bahnhistorisch wertvoller Zeugnisse. Entlang des neu entstandenen Pasinger Paseo reihen sich von West nach Ost: das Pumpenhaus (1869), Bahnhof-II (1871), der Bürklein-Bahnhof (1847) und Kopfbau (1938). Die Pasinger Architektin Almuth David hat 2013 für einen Beitrag zur Ausstellung und zum Buch-Projekt "Alles wird anders - Pasing im Dritten Reich" Dokumente aus der Zeit der Reichsbahnplanung zusammengetragen und analysiert: Von Hitlers gigantomanischen Plänen, den Hauptbahnhof westwärts Richtung Friedenheimer Brücke zu verlegen, war damals auch Pasing betroffen. Dort begann man, Platz für Ausweich- und Gütergleise zu schaffen, Grundstücke wurden deshalb beschlagnahmt. 1938 musste das Telegrafenzeugamt einer neuen Ortsgutanlage (Stückgut) weichen, sie bekam auch einen Verwaltungsbau - den heutigen Kopfbau.

In einer Stellungnahme nennt Gert Goergens, der Heimatpfleger der Landeshauptstadt, den Kopfbau ein "wichtiges, anschauliches bauliches Dokument" aus der Zeit der Reichsbahnplanung. Er plädiert dafür , das Gebäude zu erhalten, unabhängig davon, ob es den Status eines Einzeldenkmals erfüllt. Bis zum vergangenen Sommer dachten auch in Pasing Stadtteilpolitiker und kulturhistorisch interessierte Bürger, dass es Common Sense in den zuständigen städtischen Stellen sei, den Kopfbau künftig als Kulturzentrum im neuen Wohnquartier zu nutzen.

Es wurden Raumkonzepte erarbeitet für Künstlerateliers, Musikübungsräume, Veranstaltungssäle. Bei der entscheidenden Stadtratssitzung im Sommer kam dann aber die Kehrtwende: Die Sanierung des historischen Gebäudes erschien einer Mehrheit der Mitglieder nun bei weitem zu teuer, sie zogen einen Neubau vor.

Jede Zeit, so scheint es, hat ihre eigene Abriss-Diskussion. Almuth David zitiert in ihrem Buchbeitrag zum Abbruch des Telegrafenzeugamts aus dem Würmtal-Boten vom November 1938: "So lieb uns gewisse Bauten als charakteristische Pasinger Wahrzeichen auch waren, so wenig Grund haben wir doch am Ende, ihnen eine Träne nachzuweinen."

© SZ vom 03.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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