Pasing:Alles dreht sich um den Verkehr

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Taxi-Furt am Bahnhof, bessere Baustellenzufahrten: Die Pasinger Bürgerversammlung findet an neuem Ort mit bekannten Themen statt

Von Jutta Czeguhn, Pasing

Hell erleuchtet war am Dienstagabend der große Saal im Hotel Post am Pasinger Marienplatz. An den gedeckten Tischen saßen allerdings nicht die Besucher der Bürgerversammlung, sondern Mitarbeiter des Automobilkonzerns Ford. Die Geschicke im Stadtteil wurden derweil andernorts in der Aula des Bertolt-Brecht-Gymnasiums an der Peslmüllerstraße diskutiert. Die Stadt als Veranstalter hatte sich dazu entschlossen, das Traditionskapitel Postsaal abzuschließen. Der Bezirksausschuss-Vorsitzende Romanus Scholz (Grüne) sprach in seinem Rechenschaftsbericht nur vage von "Problemen". Hintergrund ist, dass Post-Pächter Fritz Schön seit Jahren mit seiner Bewirtungspraxis irritiert. Das Gasthaus war immer wieder Schauplatz von Treffen rechtsextremer Gruppen. Im vergangenen November hatte Björn Höcke von der AfD Thüringen rechte Parolen in den Postsaal gebrüllt. Damit war das Maß voll für die Stadt.

Fritz Schön bedauert die Entscheidung der Stadt, ein Verschulden seinerseits sieht der Wirt allerdings nicht. Die Alternative für Deutschland sei schließlich eine "demokratische Partei". Und als Unternehmer sei er auf Mieteinnahmen angewiesen. Politisch habe er mit der AfD nichts am Hut, betont er, und bezeichnet sich als "überzeugten Schwarzen". Differenzen mit seiner Brauerei, dem Konzern Anheuser-Busch, seien ausgeräumt. Die Brauerei hatte dem Pächter schon 2011 mit Konsequenzen gedroht, sollte Schön weiter Rechtspopulisten bewirten. Derzeit sucht die Familie Schön nach einem neuen Pachtobjekt, im Herbst 2017 läuft der Vertrag mit dem Eigentümer der Pasinger Post aus.

In der nüchternen Atmosphäre der Schulaula und ohne Bewirtung bewiesen die circa 300 Pasinger dennoch Sitzfleisch, mehr als 20 Bürgeranträge wurden vorgestellt und abgestimmt. SPD-Stadtratsfraktionschef Alexander Reissl moderierte als Versammlungsleiter launig, versäumte es aber, konsequent durchzugreifen, als ein Betrag von Almuth David zum Abriss des Kopfbaus unflätig niedergebrüllt wurde.

Der Kopfbau auf dem ehemaligen Stückgutgelände östlich der Pasing-Arcaden ist also Geschichte, von ihm sind nur ein paar Mauern geblieben. Die anstehende Bebauung jedoch bewegt die Menschen im Viertel, in den Anträgen forderten die Bürger in dem neuen Karree ein Kulturzentrum, den Verzicht auf ein Multiplexkino, das viel Verkehr bringen würde und vor allem eine vernünftige Baustellenzufahrt. Aktuell ist sie an der Offenbachstraße vis-à-vis der Lieferanfahrt der Arcaden eingerichtet, an einem vor allem von Schülern genutzten Radweg. Eine Verlegung an die Nordumgehung Pasing (Nup), wie nun beantragt, hält Peter Geck vom Kreisverwaltungsreferat für ein "ganz schwieriges Thema".

Der "Hauptaufreger" bei Pasinger Bürgerversammlungen ist stets der Verkehr: In der Kolonie I nördlich des Bahnhofs fordern Bürger unter anderem ein Lkw-Durchfahrtsverbot für die gesamte Villensiedlung, weil sich dort vehementer Schleichverkehr entwickelt hat, seit auf der Tangente Meyerbeer - Offenbachstraße der Schwerlastverkehr eingeschränkt ist. Geck deutete an, dass man dies womöglich noch einmal prüfen werde.

Den Pasinger Taxifahrern in der Aula gab Geck die Nachricht mit, dass das verwaltungsintern als "Stopsel" bezeichnete Durchfahrtsverbot am Bahnhofsplatz Richtung Westen nun doch probeweise geöffnet werden soll. Die Taxler mussten bislang einen großen Umweg fahren. "Wenn sich nun auch alle übrigen Verkehrsteilnehmer als Taxis fühlen", müsse man den Stopsel wieder schließen, sagte Geck. Das Pasinger Zentrum generell für alle Motorisierten zu öffnen, weil sie an die Reglungen sowie so niemand halte, wie ein Bürger forderte, davon riet Geck ab. Der Grundgedanke einer Verkehrsberuhigung wäre dann dahin. Die Anwohner an der Ebenböckstraße sind Leidtragende dieses Konzepts, da nun auch sie unter Schleichverkehr leiden. Für sie sieht Geck nur als Lösung, die Straße an einem Ende zuzumachen.

Weil einige Projekte aus Bürgersicht kaum vom Fleck kommen, folgte das übliche Themen-Recycling. Es wurde der U-Bahn-Bau bis Pasing gefordert sowie eine vernünftige Verkehrsanbindung der künftigen Großsiedlung an der Paul-Gerhardt-Allee. Dort, im früheren Gewerbepark, wird das Gebrauchtwarenhaus "Halle 2" des Abfallwirtschaftsbetriebs München (AWM) angesiedelt. Werkleiter Helmut Schmidt widersprach allen Befürchtungen, die Kunden der Halle 2 - Studenten, Schnäppchenjäger und Tandler - würden viel Verkehr verursachen.

Das Areal östlich der Paul-Gerhardt-Allee gleicht einer Mondlandschaft. Jetzt wird Erde ausgehoben, 2017 soll der Bau der 2000 Wohnungen starten. Am Montagabend hatte ein Fliegerbombenfund den S-Bahn-Verkehr massiv gestört. Der Boden dort werde wohl noch Überraschungen zutage fördern, mutmaßte Romanus Scholz. Ein explosives Thema also für die nächsten Bürgerversammlungen.

© SZ vom 17.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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