Ottobrunn:Argumente gegen Ressentiments

Lesezeit: 3 min

Landrat, Bürgermeister und Polizeichef versuchen in Ottobrunn, den Anwohnern die Angst vor Flüchtlingen zu nehmen

Von Martin Mühlfenzl, Ottobrunn

Mit einem Lächeln im Gesicht betritt Christoph Göbel am Mittwochabend den Festsaal des Wolf-Ferrari-Hauses in Ottobrunn - aber gut gelaunt ist der CSU-Landrat eh meistens unterwegs. Gefragt, ob diese Informationsveranstaltung zum Bau einer Siedlung für Flüchtlinge in der Gemeinde ein schwerer Abend für ihn werden könne, sagt Göbel: "Der Tag war schon schwer für mich." Der Abend in Ottobrunn wird nicht leichter.

Untertags hatte der Landrat bereits mehrere Kommunen darüber informieren müssen, dass erneut Flüchtlinge in Turnhallen untergebracht werden müssen. Dies sei unausweichlich, sagte Göbel in Ottobrunn, der Landkreis könne andernfalls die Unterbringung in Notquartieren nicht garantieren und müsse wieder in den Notfallplan einsteigen. Es werde, sagte Göbel, aber auch diesmal keine dauerhafte Belegung von Sporthallen geben - diese sei nur auf mehrere Woche ausgelegt. Göbel sprach von bis zu zehn Sporthallen, derzeit werde noch geprüft, welche Turnhallen in Frage kämen. Ausgewählt würden dabei Gemeinden, in denen es bisher noch keine Notunterkünfte gebe und die ihre Quote bisher nicht erfüllten, teilte Landratamtssprecherin Christine Spiegel am Donnerstag mit.

In Ottobrunn wird keine Turnhalle vorübergehend für die Unterbringung von Flüchtlingen gesperrt - dementsprechend wenig Aufsehen erregten Göbels Aussagen in diese Richtung. Vielmehr wird in der Gemeinde derzeit weit über die kurzfristige Notfallhilfe für Schutzsuchende hinaus gedacht - der Gemeinderat plant ein Projekt, das es in dieser Form und Größenordnung im Landkreis bisher noch nicht gibt. Und darüber informierten Bürgermeister Thomas Loderer (CSU), Landrat Göbel und zwei Vertreter der Firma Feel Home aus Starnberg am Mittwochabend mehr als 300 Bürger.

Bereits vor der Veranstaltung hatten mehrere Bürger - allen voran Anwohner aus der Umgebung des Kathi-Weidner-Wegs in der sogenannten Pöttinger Siedlung - heftigen Widerstand gegen die geplante Errichtung von 13 Häusern für bis zu 416 Menschen angekündigt. In einem offenen Brief hatten sie sich an den Gemeinderat gewandt und eine Verkleinerung der neuen Siedlung angemahnt, gar rechtliche Schritte angedroht - und immer wieder vor einer "Ghettoisierung" gewarnt.

Dieser Begriff fiel auch am Mittwochabend. Er wurde von Bürgern in einer emotionalen Diskussion zur Sprache gebracht. Doch es gab auch diesen einen Moment, als es ganz still wurde. Als die Scham über das soeben Gesprochene alle erfasste - Befürworter und Kritiker der Siedlung für Flüchtlinge. Von der Empore schallte es - just als es wieder um ein befürchtetes Ghetto ging - in den Saal: "Das haben schon andere gemacht vor 70 Jahren."

Das war der Tiefpunkt einer heftigen Auseinandersetzung, die so sachlich begonnen hatte. Bürgermeister Thomas Loderer erläuterte, warum am Kathi-Weidner-Weg eine Siedlung für mehr als 400 Menschen gebaut werden soll. Loderer verwies auf die Quote, nach der Ottobrunn im Jahr 2016 mindestens 572 Menschen eine feste Unterkunft wird bieten müssen. Michael Ehret und Konstantin von Abercron von der Firma Feel Home, die das Grundstück anmieten, die Häuser errichten und dann an den Freistaat weiter vermieten soll, präsentierten ihre Pläne und erhielten Applaus für die Bilder der architektonisch ansprechenden Häuser.

Der Rest war verbaler Kampf um die Deutungshoheit. Und er wurde von den Anwohnern erbittert geführt. Armin Ganserer, Chef der Polizeiinspektion 28 in Ottobrunn, musste sich anhören, dass die Polizei Kriminalitätsstatistiken manipuliere. Ganserer konterte, präsentierte bisher noch nicht veröffentlichte Zahlen für das Jahr 2015 und sagte etwa, in der Neubiberger Traglufthalle habe es bei 300 Bewohnern in den vergangenen vier Monaten gerade einmal 13 Straftaten gegeben. In der Feel-Home-Siedlung sollen stets zwei private Sicherheitskräfte anwesend sein - die Streifen, sagte Ganserer, würden angewiesen, häufig und auch unangemeldet nach dem Rechten zu sehen.

Die Angst vor dem Fremden vermochten diese Ankündigungen nicht zu beseitigen. "Ich bin in Neuperlach aufgewachsen und habe mich hier nach Ottobrunn hochgearbeitet, um nicht nur unter Ausländern zu leben", sagte ein Besucher. "Und jetzt soll ich unter noch mehr Fremden leben." Bürgermeister Loderer fand hingegen andere Worte: "Wir siedeln hier Menschen an. Und wir werden uns größte Mühe geben, diesen Menschen unsere Wertschätzung zu zeigen."

© SZ vom 15.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: