Festival:Tanz den Wagner

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Reines Kunstwerk: Sogar in Japan war Romeo Castelluccis "Tannhäuser" schon zu Gast. 2023 gibt es ein Wiedersehen in Salzburg. (Foto: Wilfried Hösl)

Nikolaus Bachler offenbart seine Pläne für die Osterfestspiele in Salzburg. Darin spielt auch der populäre DJ Westbam eine Rolle.

Von Egbert Tholl, Salzburg

Vielleicht, weil die Weltlage nun einmal so grässlich ist, wie sie ist, ist gar nicht die "Lohengrin"-Neuproduktion die Sensation der diesjährigen Osterfestspiele in Salzburg. Sondern ein Konzert: Der russische Dirigent Tugan Sokhiev dirigiert die Sächsische Staatskapelle Dresden mit der siebten Symphonie von Schostakowitsch. Dies ist die sogenannte Leningrader, die der Komponist dem Kampf gegen den Faschismus widmete; berühmt ist darin die alles zermalmende Passacaglia, tönender Kriegslärm, Unterdrückung, Unterwerfung. Aber das Festival eröffnen wird am 9. April Wagners "Lohengrin", inszeniert von Jossi Wieler, Anna Viebrock und Sergio Morabito, dirigiert von Christian Thielemann.

Die diesjährige ist die letzte Ausgabe der Osterfestspiele, die Thielemann noch (mit-)verantwortet. Von 2023 leitet sie Nikolaus Bachler, der ehemalige Intendant der Bayerischen Staatsoper, allein. Wie so viele Festspiele wurden auch sie arg von Corona gebeutelt; einmal fielen sie ganz aus, einmal wurden sie in den Herbst verlegt. Und auch jetzt sei "die einzige Angst, die uns umtreibt, das Virus", sagt Bachler. Jedenfalls herrsche zwischen ihm und Thielemann große Harmonie: "Wissen Sie, wenn Profis anfangen, zusammen zu arbeiten, sind die Störgeräusche weg." Er liebe es, Thielemann bei der Wagner-Arbeit zuzusehen, er erlebe dies zum ersten Mal - Lob des Festivals, da hat man Zeit, weil sich Ostersalzburg traditionell auf wenige Veranstaltungen konzentriert.

Nikolaus Bachler, einst Münchner Opernintendant, nun Strippenzieher der Salzburger Osterfestspiele. (Foto: Stephan Rumpf)

Deswegen, um das gleich mal zu sagen, habe Bachler gerade auch keine Möglichkeit, Anna Netrebko zu engagieren; er würde es tun, auch weil er sehr genervt ist von der herrschenden Cancel Culture. Auch im kommenden Jahr gibt es wieder Wagner, mit dessen Werk Netrebko ohnehin eher im Clinch steht. Wagner, weil Herbert von Karajan einst die Osterfestspiele für dessen Opern gründete. Und wegen Romeo Castellucci.

Dessen "Tannhäuser"-Inszenierung sorgte 2017 an der Bayerischen Staatsoper für Aufsehen; sie ist ein reines Kunstwerk und war auch schon in Japan zu Gast; nun eröffnet sie am 1. April 2023 die Osterfestspiele und wird danach noch am 5. und 9. April gezeigt. Als die Produktion in München herauskam, verständigten sich Bachler und Castellucci darauf, wie schön es wäre, an der Inszenierung weiter zu arbeiten, ganz im Sinne der Wagnerschen Werkstatt Bayreuth. Aber im Repertoire-Betrieb ist für so etwas kaum Platz, in Salzburg schon, und Castellucci wird es tun. Die Besetzung ist spektakulär und wird wohl auch Münchner Opernliebhaber, die die Aufführung bereits gesehen haben, nach Salzburg locken: Marlis Petersen singt die Elisabeth, ihre erste Wagner-Partie überhaupt; Jonas Kaufmann gibt sein Rollendebüt als Tannhäuser, Elīna Garança singt die Venus, Georg Zeppenfeld den Landgraf Hermann und Christian Gerhaher den Wolfram von Eschenbach.

Dirigieren wird die Opernaufführung wie auch die beiden Orchesterkonzerte und das Chor-Konzert mit Brahms' "Deutschem Requiem" Andris Nelsons, es spielt das Gewandhausorchester Leipzig. Unter Bachler wird jedes Jahr ein anderes Orchester spielen und ein anderer Dirigent dirigieren, 2024 werden dies Antonio Pappano und die Accademia Santa Cecilia sein.

Electro-Künstler Westbam soll für die Festspiele 2023 Beats und Wagner zusammenbringen. (Foto: Piero Chiussi/imago stock&people)

Zum ersten Mal überhaupt gibt es 2023 bei den Osterfestspielen Tanz: Der französisch-israelische Choreograph Emanuel Gat ließ sich von Wagners "Wesendonck"-Liedern zu einem Stück für 14 Tänzerinnen und Tänzer in der Felsenreitschule inspirieren. Am selben Ort will Bachler auch ein "Samenkorn für etwas, das wichtig werden könnte", pflanzen: Westbam, Electro-Künstler (vulgo: DJ) mit besonderem Instinkt und Neugierde, entwickelt am 6. April dort eine Symbiose aus Beats und Wagner unter Mitwirkung der Orchesterakademie des Gewandhausorchesters. Kammer- und Late-Night-Konzerte ergänzen das Programm, für das auch reduzierte Karten für alle unter 27 Jahren aufgelegt werden.

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