Oper für alle:Mit Feuer und kurzen Hosen

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Klassik für alle: Das Staatsorchester spielte vor der Oper vor 12 000 Zuhörern. (Foto: Johannes Simon)

Tausende Klassikfreunde lauschen auf dem Max-Joseph-Platz dem Staatsorchester

Von Gerhard Fischer

12 000 Zuhörer seien da gewesen, sagte Leonie Laskowski von der BMW-Presseabteilung am späten Samstagabend - jene eingerechnet, die bloß kurz auf dem Max-Joseph-Platz stehen blieben, um eine paar Töne aufzuschnappen. Wobei sich die Frage stellt, wie man auf diesem vollen Platz so einfach stehen bleiben konnte, denn hier standen, saßen, ja lagen die Menschen doch schon ganz nahe beieinander. "Oper für alle" ist eine für die Zuhörer kostenfreie Koproduktion von BMW und Bayerischer Staatsoper. Angekündigt war ein "russischer Abend" mit Werken von - unter anderem - Tschaikowski, Schostakowitsch und Prokofjew, gesungen von der Sopranistin Ekaterina Siurina und gespielt vom Staatsorchester (hauptsächlich) und dem Jugendorchester Attacca (ein Stück).

Das Konzert begann um 20.30 Uhr, aber bereits um 20 Uhr hatten die Menschen den Max-Joseph-Platz okkupiert. Viele von ihnen hatten Decken oder Isomatten mitgebracht, dazu Brotzeit und Wein in Plastikbehältern (Flaschen waren ebenso untersagt wie Messer, Feuerwerkskörper oder das Mitbringen von Kinderwagen und Hunden). Ein junges Paar, Janina Pfetsch und Michael Ruhland, saß auf einer roten Decke, Ruhland hatte die beiden gerade mit Getränken vom Stand versorgt. "Ich mag Klassik, aber wir sind hauptsächlich wegen der Atmosphäre hier", sagte Pfetsch. "Und ich mag, dass es hier so ungezwungen ist", meinte Ruhland, "wenn man sonst in die Oper geht, hat man Anzug, Krawatte und Lackschuhe an." Er trug eine kurze Jeans mit Löchern. Und Ruhland hat Humor. Mit Blick auf die Leute, die beim Weinholen wie angetrunkene Störche durch die Reihen der sitzenden Menschen staksten, um niemandem auf die Hand zu treten, sagte er: "Wenn man die Musik hört und die Leute so hüpfen sieht, kann man denken, man sei ihm Ballett."

Vorne sang die wunderbare Ekaterina Siurina eine Arie aus Rimsky-Korsakows "Zarenbraut", eine herzzerreißende Geschichte über das Mädchen Marfa, die gegen ihren Willen Iwan den Schrecklichen heiraten soll; die deshalb offenbar wahnsinnig wird und schließlich stirbt, möglicherweise war Gift der Grund. Am Ende spielte das Staatsorchester Peter Iljitsch Tschaikowskis Symphonie Nr. 4 f-Moll op. 36. Intendant Nikolaus Bachler hatte dieses Stück als Höhepunkt des Abends angekündigt. Man tut der Sopranistin Siurina nicht weh, wenn man das unterstreicht, nachdem man es gehört hat: Das Orchester, angeleitet von Omer Meir Wellber, spielte dieses fulminante Werk fast 45 Minuten lang, manchmal so laut, intensiv und wuchtig, dass man spürte, welche Kraft dieses Staatsorchester haben kann. "Allegro con fuoco" hieß das Finale, also "mit Feuer".

© SZ vom 26.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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