Oktoberfest vor dem Start:Dem Himmel so nah

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Zwei Tage noch, dann wird auf dem Oktoberfest o'zapft. Doch bereits jetzt zeigt sich: Der Münchner Wirtschaftsreferent Dieter Reiter, der 2014 Nachfolger von OB Christian Ude werden möchte, will mit der Wiesn auch politisch punkten.

Astrid Becker

Wiesn-Kenner werden es sofort bemerken: Es gibt heuer auf dem Oktoberfest nichts Neues. Und zwar absolut nichts Neues.

Ein im Wortsinne Höhepunkt seiner bisherigen politischen Laufbahn: Am Donnerstag durfte Dieter Reiter (rechts) mit Christian Ude, den er als Oberbürgermeister beerben möchte, eine Runde Kettenkarussell fahren. (Foto: dpa)

Keine neuen Hightech-Türme, die mit irgendwelchen besonderen Beschleunigungserlebnissen locken, keine selbstmörderischen Fahrgeschäfte, die wenn nicht zum Tod, so doch dazu führen, etwaig zu viel getrunkenes Bier schnellstmöglich wieder loszuwerden. So stellt denn auch Oberbürgermeister Christian Ude beim Wiesn-Rundgang am Donnerstag klar: "Es wird genauso sein wie in den Vorjahren."

Allerdings bezieht er diese Aussage nicht auf den Mangel an Neuheiten auf dem Oktoberfest, sondern auf den Wahlkampf, den er sich als designierter Spitzenkandidat der SPD mit Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) überall liefern will, nur nicht am Samstag beim Anstich auf der Wiesn: "Dafür ist danach noch genügend Zeit. Wir wollen beide keine Politisierung des Ereignisses." Darauf hätten er und Seehofer sich verständigt.

Das mag bemerkenswert sein, ist aber ebenfalls nicht neu. Bereits im vergangenen Jahr hatte sich Ude ähnlich geäußert - und selbst in den Zeiten, in denen er noch nicht das Amt des Ministerpräsidenten anstrebte, sprachen er und auch die Stadträte stets von einem Volksfest, auf dem die Politik nichts zu suchen habe.

So ganz stimmt das freilich nicht. "Brot und Spiele" hieß es bereits in der Antike, Volksbelustigungen galten als probates Mittel, eigene Machtinteressen durchsetzen zu können. Und selbst als ein gewisser Kronprinz Ludwig seine Therese von Sachsen-Hildburghausen im Jahre 1810 ehelichte und zu diesem Anlass ein Pferderennen auf der grünen Wiese vor der Stadt veranstaltet wurde, war dies keineswegs nur ein Akt reiner Freundlichkeit. Vielmehr ging es darum, dem gerade einmal vier Jahre alten Königreich Bayern eine geeinte Identität zu verleihen.

Ein Vorgang, der in gewisser Weise seine moderne Entsprechung im städtischen Wirtschaftsreferenten Dieter Reiter findet. Denn Reiter, der viele Jahre zuvor in der Stadtverwaltung gearbeitet hat, strebt nun ganz nach oben und will Ude bei der Kommunalwahl im Frühjahr 2014 als Oberbürgermeister beerben.

Die dafür nötige Bekanntheit will er sich über das Thema Wiesn verschaffen, das er, anders als sein Vorgänger Reinhard Wieczorek, ganz an die eigene Person gebunden hat. Einziges Problem: Ausgerechnet auf seinem ersten Oktoberfest, das erstmals nicht vom langjährigen "Gesicht der Wiesn", Gabriele Weishäupl, geleitet wird, hat er keine echten Neuheiten vorzustellen.

Fahrgeschäfte auf dem Oktoberfest
:Neue Runde, neuer Kick

Wo steigen Angsthasen ein, wo nur die Abenteuerlustigen? Auf dem Oktoberfest gibt es theoretisch Fahrgeschäfte für jeden Geschmack. Doch nicht überall ist die Gaudi ein Vergnügen.

Also startet der Rundgang eben bei Altbewährtem wie dem Toboggan, einem traditionellen Fahrgeschäft, das bereits seit 1933 auf dem Oktoberfest und seit Mitte der 1970er Jahre nur mehr dort zu finden ist. Weder Reiter noch Ude wagen sich jedoch auf das Förderband aus Furcht, zu stürzen und sich zum Gespött der Umstehenden zu machen.

Fahrgeschäfte auf dem Oktoberfest
:Neue Runde, neuer Kick

Wo steigen Angsthasen ein, wo nur die Abenteuerlustigen? Auf dem Oktoberfest gibt es theoretisch Fahrgeschäfte für jeden Geschmack. Doch nicht überall ist die Gaudi ein Vergnügen.

Reiter gibt dies später auch unumwunden zu: Ihm sei das Riesenrad lieber, und auch mit der Geisterbahn Shocker habe er kein Problem. Im übertragenen Sinne ist dies nachvollziehbar: Er will hoch hinaus, muss sich auf dem Weg dorthin jedoch sicher mit der einen oder anderen gruseligen Gestalt herumschlagen. Die Geisterbahn übrigens ist auch nicht neu, aber immerhin umgestaltet.

Dem OB-Kandidaten und Wiesnchef liegt jedoch auch der Umweltschutz am Herzen. Deshalb schleppt er die vielen Menschen, die alljährlich zu dem Rundgang geladen sind, auch ins Löwenbräu-Bierzelt von Ludwig Hagn und seiner Tochter Stephanie Spendler: "Ich fand das spannend, wie sich Umweltschutz und Nachhaltigkeit in einem Bierzelt verwirklichen lassen", sagt Reiter. Auf den ersten Blick erkennbar: mit sehr viel Licht, das etwa 15.000 LED-Lampen verströmen. Mit deren Hilfe sparen die Wirte mehr als 40.000 Kilowattstunden Strom ein.

Doch auch sonst setzt die Brauerei hier modernste Gebäudetechnik ein: So steuert eine Art "elektronisches Nervensystem" einfach alles, von der Beleuchtung und der gesamten Kühlung, über die Belüftung und den Wasserverbrauch in den Toiletten bis hin zu den Heizstrahlern im Biergarten und den Krug-Waschmaschinen. "Mit der Energie, die so ein Zelt verbraucht, kommt eine vierköpfige Familie genau 53 Jahre und vier Monate aus. Wir wollen jetzt auf 35 Jahre kommen", sagt Ludwig Hagn, dem es sichtlich Spaß macht, über diese neue energetische Effizienz seines Zeltes zu sprechen.

Und auch Reiter scheint begeistert zu sein, schließlich kann er auf diese Weise das Thema Umweltschutz geschickt platzieren. Und das ist bekanntlich auch nichts Böses, wenngleich durchaus politisch.

Doch da ist auch noch eine andere Nachricht, die er und Ude auf Anfrage verkünden: Es wird heuer wohl keine Rekord-Wiesn werden. Die Begründung dafür liegt auf der Hand: Wegen des Zentralen Landwirtschaftsfestes (ZLF) stehen dem Oktoberfest fünf Hektar weniger an Platz zur Verfügung. Diese sogenannte "kleine Wiesn" ist ein Phänomen, das alle vier Jahre wiederkehrt. Heuer feiert das ZLF, das maßgeblich zur Entstehung des Oktoberfestes beigetragen hat, sein 125. Jubiläum.

Eine wichtige Neuerung steht zumindest auf dem Plan: Geht es nach Reiter, bleiben künftig 25 Prozent aller Plätze auf der Wiesn reservierungsfrei. Diese Idee soll der Wirtschaftsausschuss bereits in der nächsten Woche beraten. Doch im Stadtrat regt sich Widerstand: Denn nicht jeder hält diese Regelung für umsetzbar. Es könnte also gut sein, dass ein Beschluss in dieser Sache vertagt wird. Mal sehen, mit welchen Neuigkeiten Reiter dann bei der nächsten Wiesn aufwarten kann.

© SZ vom 22.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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