Oktoberfest:Kein Zaun für die Wiesn, dafür Zoff im Rathaus

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Josef Schmid dirigiert beim Standkonzert auf der Wiesn. (Foto: Robert Haas)
  • Der zweite Bürgermeister und Wiesn-Chef Josef Schmid ist mit seinem Versuch gescheitert, die Wiesn bei Überfüllung mit mobilen Zäunen abzusperren.
  • KVR-Chef Thomas Böhle findet dagegen, die Situation auf der Wiesn sei nicht vergleichbar mit einem Konzert oder einer Sportveranstaltung, bei der man schon vorher wisse, wie viele Besucher kommen.

Von Franz Kotteder

Der Wiesn-Zaun kommt nicht, dafür wird die Kluft zwischen Schwarz und Rot im Rathaus wieder ein bisschen größer. Mit seinem Vorschlag, die nordwestliche Hangseite der Theresienhöhe bei Überfüllung der Wiesn mit ausrollbaren Maschendrahtzäunen abzusperren, erlitt der Zweite Bürgermeister und Wiesnchef Josef Schmid (CSU) am Dienstag Schiffbruch. Der zuständige Stadtratsausschuss für Arbeit und Wirtschaft lehnte den Einsatz von sogenannten "SecuFence"-Boxen gegen die Stimmen von CSU und ÖDP rundweg ab. Das übrige Sicherheitskonzept - das im wesentlichen dem der vergangenen Jahre entspricht - wurde einstimmig angenommen.

Die höchst umstrittene Aufstellung von ausrollbaren Zäunen sollte laut Schmid als "ultima ratio" zum Einsatz kommen, wenn alle anderen Maßnahmen gegen den Besucherandrang nichts mehr nützen. "Es geht nicht um eine 17 Tage dauernde Umzäunung des Oktoberfestes", stellte der Bürgermeister, der als Wirtschaftsreferent zugleich auch Wiesn-Chef ist, in der Sitzung klar. Es gehe lediglich darum, ein Schlupfloch "für eine halbe Stunde oder eine Stunde" zu schließen, wenn die Wiesn wegen Überfüllung an den Eingängen mit Flatterband und Ordnern abgesperrt wird. Ortskundige würden in diesem Fall nämlich einfach über die ungesicherte Böschung auf das Festgelände gelangen.

Eine Schlüsselrolle in der Debatte spielte der neue Kreisverwaltungsreferent Thomas Böhle (SPD). Seine Behörde habe sich "zunächst einmal offen" für die Idee einer Absperrung gezeigt, gab er zu. Er selbst habe auch von einer "naheliegenden Überlegung und einem sachgerechten Vorschlag" gesprochen. Böhle: "Ich habe aber Zweifel, ob dieser Vorschlag auch hinreichend durchdacht ist." Das Hauptproblem sei ja nicht eine komplett überfüllt Wiesn, sondern einzelne Brennpunkte, an denen es gefährlich werde, etwa in der Wirtsbudenstraße oder am Riesenrad.

Warum der Vergleich mit Konzerten hinkt

Der Vergleich mit Konzerten oder großen Sportveranstaltungen hinke: Dort gebe es wegen der Eintrittskarten eine kalkulierbare Menschenmenge, die sich obendrein immer in eine Richtung bewege. Beim Oktoberfest gebe es aber immer Bewegung in beide Richtungen. Außerdem sei es fraglich, ob die Zäune "bei einer sich anbahnenden Belastungs- und Stresssituation" auch wirklich schnell genug ausfahren und wieder schließen ließen.

Diese Argumente griffen in der anschließenden Diskussion vor allem die Stadträte von SPD, Grünen, FDP und Bayernpartei wieder auf. SPD-Sprecher Helmut Schmid, einer der Veteranen in der Runde, erinnerte daran, dass man einen Zaun bereits vor bald 20 Jahren unter dem Kreisverwaltungsreferenten Hans-Peter Uhl (CSU) aus guten Gründen abgelehnt habe, "und damals hatten wir acht Millionen Besucher, im Unterschied zu heute mit sechs Millionen". Er befürchtete, dass durch Rollzäune eher zusätzliche Ängste geschürt würden, statt ein Gefühl der Sicherheit zu erzeugen.

Schützenhilfe bekam Schmid außer von der CSU-Fraktion vor allem vom Vertreter der Polizei. Mit Personal allein sei es extrem schwierig, die Leute vom Betreten der Wiesn abzuhalten, insofern seien die "SecuFence"-Boxen einige Möglichkeit, den Druck aufs Gelände zu lindern. Obendrein seien sie im Sicherheitskonzept nur eine von mehreren Maßnahmen.

CSU-Wirtschaftssprecher Manuel Pretzel warnte davor, "eine polemische Debatte vom Zaun zu brechen". Letztlich gehe es nur um eine 350 Meter lange Hangkante, die abzusperren sei, und mit den bisherigen Mitteln sei man dem Massenandrang nicht Herr geworden: "Was machen wir, wenn wir wieder so einen Tag wie den 3. Oktober 2015 haben?" Damals war die Wiesn so überfüllt, dass die Verantwortlichen im Nachhinein von einer bedrohlichen Situation sprachen.

Ob der Rollzaun zur Abwendung solcher Situationen ein taugliches Mittel ist, daran zweifelten freilich einige Stadträte. "Was tut man bei einer Massenpanik?", fragte Grünen-Stadträtin Lydia Dietrich, "wie soll da der Abfluss funktionieren?" Tobias Ruff (ÖDP) konnte sich nicht recht vorstellen, dass ausgerechnet über die nordwestliche, rutschige Hangkante, "die bei Münchnern nur als Soachwiesn bekannt ist" massenweise Menschen auf das Oktoberfest strömen und hielt die Diskussion für "etwas hoch aufgehängt".

Mario Schmidbauer (Bayernpartei) lehnte den Zaun ab: "Sicherheit beginnt nicht erst am Eingang zur Wiesn. Die bei Überfüllung mit Flatterband absperren - da lach' ich mich ja tot!" Sinnvoller wäre es, Rucksäcke und große Taschen von der Wiesn zu verbannen.

Diesem Änderungsantrag wollten wiederum die anderen Parteien nicht folgen. Immerhin gab es Einigkeit über die anderen Punkte des Sicherheitskonzepts, die unter anderem frühzeitige Warnungen vor drohender Überfüllung in sozialen Medien und im Rundfunk, Sperrung der Zugänge durch Ordner und der U- und S-Bahnhöfe in Wiesnnähe beinhalten. Dies hatte auch Kreisverwaltungsreferent Böhle als wichtigstes Mittel empfohlen, um dem Andrang Herr zu werden.

In einer ersten Reaktion sagte Josef Schmid nach der Stadtratssitzung, er halte die Entscheidung "für einen großen Fehler". Der mobile Zaun hätte eine relevante Sicherheitslücke geschlossen, deshalb hätten alle in die Beratung involvierten Sicherheitsexperten dafür plädiert. Schmid: "Ich akzeptiere das Votum der Mehrheit des Stadtrats, mache es mir aber ausdrücklich nicht zu eigen."

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