Oktoberfest in München:Wer was wird, wird Wirt

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In den riesigen Wiesn-Zelten fließt nicht nur das Bier in Strömen, sondern auch das Geld. (Foto: dpa)

München kann schon seltsam sein: Seit Tagen diskutiert die Stadt über den neuen Wiesnwirt. Als ob es keine anderen Probleme gäbe. Das hat seine Gründe: Denn das größte Volksfest der Welt regt die Phantasie der Münchner an - nicht zuletzt, weil sich hier auch enorm viel Geld verdienen lässt.

Ein Kommentar von Franz Kotteder

In diesen Tagen erscheinen dem Rest der Republik Nachrichten aus München vermutlich noch skurriler als sonst. Dem neuen SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter gelingt es zum Beispiel kaum, neue Rathausbündnisse zu schließen, weil sich die potenziellen Partner nicht darüber einigen können, ob ein städtisches Heizkraftwerk einige Jahre früher als geplant die Kohleverstromung einstellt oder ob auf einer bestimmten Hauptverkehrsstraße eine Auto- zur Fahrradspur werden soll. Das sind Probleme! Und dann tobt da unten im Süden derzeit noch ein regelrechter Glaubenskrieg um die Frage, welcher Wirt ein frei werdendes Bierzelt auf dem Oktoberfest bekommt.

Seltsames München: Kulturell, wirtschaftlich, auch als Wissenschaftsstandort nimmt die Stadt eine Spitzenposition in Deutschland ein. Aber was die Menschen hier wirklich umtreibt, ist das größte Volksfest der Welt. 16 Tage lang sind hier plötzlich gewaltige Menschenmengen in Lederhosen und Dirndln anzutreffen, gerade so, als befinde man sich in der kitschigen Disney-Version eines viel zu groß geratenen Gebirgsdorfs. Es handelt sich dabei keineswegs nur um Einwohner der Stadt, aber eben auch. Was dem Rheinländer sein Karneval, das ist dem Münchner seine Wiesn: ein identitätsstiftendes Kultereignis mit Ritualcharakter.

Das Oktoberfest ist weit mehr als nur das größte organisierte Massenbesäufnis der Welt. In gewisser Weise stellt es nämlich auch eine Art Paralleluniversum dar. Mit 6,4 Millionen Besuchern lässt sich binnen kürzester Zeit enorm viel Geld verdienen. In den riesigen Zelten, die bis zu 10 000 Gäste fassen, fließt nicht nur das Bier in Strömen, sondern auch das Geld.

Wer eines dieser Zelte als Wirt übernehmen darf, ist viel mehr als ein gemachter Mann - er ist ein Bierbaron, der in gut zwei Wochen Millionen verdienen kann. Das Volk bewundert und verachtet die Wirte zugleich als Großverdiener und als Abzocker, weshalb die meisten von ihnen so tun, als führten sie ihr Zelt trotz hoher Unkosten nur noch aus reiner Traditionsliebe. Jeder in München weiß, dass das Unfug ist.

Binnen kürzester Zeit lässt sich enorm viel Geld verdienen

Es lässt aber die Phantasie sprießen - auch bei den Wirten selbst, die in Einzelfällen auch mal kreative Wege suchen, das viele Geld an der Steuer vorbeizulotsen. Weil man ihm dabei draufgekommen ist, hat der Wirt des Hippodroms, Sepp Krätz, nun sein Zelt nach 19 Jahren aufgeben müssen. Es regt aber auch die Phantasie bei den Münchnern an: Wie muss einer beschaffen sein, um Wiesnwirt zu werden? Und vor allem: Wer hat ihm dabei geholfen?

Denn es gibt zwar einen umfangreichen Kriterienkatalog, nach dem die Bewerber beurteilt werden. Wie der aber im Detail aussieht, wissen nur ein paar wenige Eingeweihte. Das öffnet Gerüchten aller Art natürlich Tür und Tor. U nd so weiß in München derzeit nahezu jeder eine andere Geschichte, wie der künftige Wiesnwirt Siegfried Able mit seinem nagelneuen Marstall-Zelt auf den Platz des Hippodroms gekommen sein könnte und welche Mauscheleien unbedingt dahinterstecken dürften.

In der Tat gibt es Merkwürdigkeiten bei der Vergabe der Festkonzession an einen Neuling, den die meisten der alteingesessenen Bierbarone nicht in ihren Kreisen sehen wollten. Auch hat er schon des Öfteren profitiert von Entscheidungen, die von der bisherigen Mehrheitspartei SPD getroffen wurden. Deshalb von einem "Münchner Filz" zu sprechen, ist vielleicht übertrieben, solange sich nicht Schlimmeres findet. Es zeigt aber, dass teils unklare Vergabekriterien zusammen mit dem Versprechen märchenhafter Gewinne viel Spielraum lassen.

Für die Entstehung von Gerüchten, aber auch für die Entscheidung zugunsten eines Bewerbers, der vielleicht ein bisschen besser kann mit den Entscheidungsträgern, als das andere können.

© SZ vom 30.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Von Franz Kotteder und Bernd Kastner

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