Antrag der Stadtrats-ÖDP:Pseudo-Wahlen zum Üben - das ist schon fast unverschämt

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Auf den Stimmzetteln soll der Aufdruck "Probier-Wahl" Verwechslungen mit den echten Wahlunterlagen verhindern. (Foto: Stephan Rumpf)

Die ÖDP will bei den Kommunalwahlen 2020 zusätzlich "Probier-Wahlen" für Ausländer abhalten. Man könnte ihnen getrost auch mehr zutrauen.

Kommentar von Dominik Hutter

Wie ist es, zwar zur Wahl zu gehen, aber keine echte Stimme abgeben zu dürfen? Was Menschen in totalitären Staaten nur zu gut kennen, will die ÖDP jetzt auch für die Münchner Ausländer einführen: Pseudo-Wahlen, deren Ergebnisse keine Wirkung haben. Zum Üben. Das ist schon fast unverschämt. Jeder geht irgendwann das erste Mal zur Wahl, diese Herausforderung ist eigentlich gut zu meistern. Was man regelmäßig jungen Deutschen und EU-Bürgern zumutet, kann man getrost auch (dann eingebürgerten) Ausländern zutrauen. Ohne Testlauf.

Dass es eine gute Übung für die Demokratie sein soll, Wahlzettel für den Papierkorb auszufüllen, mutet schon fast grotesk an. Zumal es einen hohen organisatorischen und finanziellen Aufwand bedeutet, Pseudo-Wahllokale einzurichten, Pseudo-Wahlzettel zu drucken und anschließend ein Pseudo-Ergebnis zu ermitteln. Der Vorstoß ignoriert zudem eine Lehre, die sich zwingend aus den desaströsen Referenden für den Brexit sowie die Unabhängigkeit Kataloniens ergibt: Unverbindliche Volksbefragungen im offiziellen Rahmen haben in einer Demokratie nichts verloren. Weil diese Unverbindlichkeit anschließend im politischen Alltagsbetrieb, der ja von Sorge vor der Wut der Wähler geprägt ist, fast zwangsläufig verloren geht. Was dann gegen den Geist des ursprünglichen Votums verstößt.

Damit wird das wichtigste Prinzip jeder Volksabstimmung verletzt: Die Regeln müssen vorher feststehen, und sie müssen eingehalten werden. Demokratie lebt von gemeinsamen Spielregeln. Nicht davon, dass Stadtratsfraktionen künftig bei Bedarf aus einem unverbindlichen Parallel-Wahlgang Aufträge und Mehrheitsverhältnisse ableiten, die die "echte" Wahl gar nicht hergibt.

Wer Ausländer, die bei der Kommunalwahl nicht wählen dürfen, politisch besser integrieren will, sollte lieber für eine vereinfachte Einbürgerung plädieren. Dann dürfen diese Münchner künftig an der echten Demokratie teilnehmen und ein echtes Kreuzchen in der Wahlkabine machen. Eines mit politischer Wirkung.

© SZ vom 19.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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