Obermenzing:Die Würm macht das Licht an

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Kraft, die fließt: Beim Restaurant Sidhartha (im Vordergrund) und dem Hotel "Die Schleuse" soll das neue Wasserkraftwerk gebaut werden. (Foto: privat)

Am Hotel "Die Schleuse" soll ein neues Wasserkraftwerk entstehen, das bis zu 400 000 Kilowattstunden Strom im Jahr erzeugen kann. Besonderes Augenmerk liegt auf dem Schutz der Fische

Von Jutta Czeguhn, Obermenzing

"Wenn Sie möchten, können Sie auch direkt auf unserer Schleusenbrücke frühstücken", wird im Werbefilm auf der Website des Obermenzinger Hotels "Die Schleuse" den Gästen vorgeschlagen. Unter dem Holzsteg liegt ein fast zwei Meter hoher Sohlabsturz der Würm, der noch aus dem 18. Jahrhundert stammt, als an der Stelle ein Mühle betrieben wurde. "Sehr, sehr laut" sei es dort, sagt Barbara Urlberger - zukünftig soll es leiser werden. Sie ist kein Frühstücksgast, sondern Landschaftsarchitektin im Büro Mahl-Gebhard-Konzepte. Urlberger und Knud Kramer von der Ingenieurgesellschaft EDR GmbH sind mit der Planung des Wasserkraftwerks an historischer Stelle beauftragt. Eine Turbine soll dort einmal 400 000 Kilowattstunden Strom im Jahr erzeugen.

Urlberger und Kramer haben ihr Kraftwerkskonzept jetzt im Bezirksausschuss Pasing-Obermenzing vorgestellt - ein Projekt, das komplett auf Privatgrund realisiert werden soll und von der Eigentümerin Anna Köbrich in Auftrag gegeben wurde. Der Schleusenbereich und eine angrenzende kleine Parkanlage mit dem Weiher können derzeit und auch künftig nur von den Gästen des Hotels und eines indischen Restaurants genutzt werden. Doch interessieren die Kraftwerkspläne auch die Nachbarn, die sich am Dienstagabend im Zuschauerbereich des Pasinger Rathaussaales drängten. Sie bewegt vor allem die Frage, wie viele Bäume dort im Landschaftsschutzgebiet Würmniederungen, das zum Teil als Biotop kartiert ist, gefällt werden müssen. Von mehr als 20 war die Rede. Urlberger konnte die Besucher etwas beruhigen: Nach derzeitigem Planungsstand müssen wohl nur neun Bäume weichen.

Das Vorhaben ist einigermaßen komplex, die Planer sind derzeit dabei, alle nötigen Unterlagen zusammenzustellen: die wasserrechtliche Genehmigung, eine Umweltverträglichkeitsprüfung, die artenschutzrechtliche Prüfung, ein Lärmschutzgutachten. Demnächst wollen sie alles bei den Genehmigungsbehörden einreichen, in etwa einem Jahr könnte dann Baubeginn sein.

Knud Kramer erläuterte die einzelnen Schritte: Während der Bauphase am Wasserkraftwerk muss die Würm in ihrem Lauf unterbrochen und temporär auf etwas 130 Metern Länge auf das Weihergrundstück umgeleitet werden. Da es vom Oberlauf zum Unterlauf ein Gefälle von knapp zwei Metern gibt und dort drei bis fünf Kubikmeter Würmwasser pro Sekunde fließen, wird diese Umgehungsrinne mit Wassersteinen gegen Erosion gesichert. Die Steine, so Kramer, werden später, wenn das Kraftwerk fertiggestellt ist und die Würm wieder in ihrem ursprünglichen Lauf fließen kann, weiter verwendet.

Denn der Würmzweig bleibt dann als mäanderförmig angelegter Fischpass, einer Art Aufstiegshilfe für Fische, erhalten. Die Tiere können so vom Unterwasser ins Oberwasser, also gegen die Fließrichtung der Würm, gelangen. Wegen des zwei Meter hohen Sohlabsturzes an der Schleuse würde dies derzeit wohl nur fliegenden Fischen gelingen. Der Fischpass ist Teil der Ausgleichsmaßnahmen, die wegen der Eingriffe beim Kraftwerksbau auf dem Parkgelände erfolgen müssen. Landschaftsplanerin Urlberger spricht von einer "Remodellierung des Geländes", das sich auch nach dem Fällen von etwas neun Bäumen in seinem "Grundcharakter" nicht verändern werde.

Für das Kraftwerk an sich besteht eine Betriebsgenehmigung, da an der ehemaligen Mühle vor Jahrzehnten schon einmal Strom erzeugt wurde. Die neue Anlage soll, erklärte Knud Kramer, von einer sogenannten Diveturbine mit 70 Kilowatt elektrischer Leistung betrieben werden. Sie hat drei Laufradschaufeln und gilt laut Kramer deswegen als "fischfreundliche Turbine". Sollte die Würm Hochwasser führen und dann mit immerhin zehn bis 15 Kubikmeter pro Sekunde unterwegs sein, werden sich hydraulische Stauklappen öffnen und das Wasser über den sogenannten Leerschuss ableiten, denn der Höhenunterschied im Würmlauf bleibt an der Stelle erhalten. Zum Kraftwerk gehört auch eine Spülrinne, die von Zeit zu Zeit geflutet wird, um Treibgut abzulassen.

Bis zu 130 Durchschnittshaushalte könnte das kleine Würmkraftwerk künftig mit Strom versorgen. "Sie können dann regenerative Energie aus der Würm kaufen", sagte Landschaftsarchitektin Urlberger, die die Skepsis im Rathaussaal durchaus wahrnahm. Ihre Ankündigung, man habe die Pläne "aus eigenem Antrieb" verändert in Richtung einer "baumschonendere Variante", wurde von den Anwohnern und den Mitgliedern des Bezirksausschusses erst einmal positiv gewertet. Man will nun abwarten, was die nächsten Verfahrensschritte bringen und wie die abschließende Planung aussehen wird. Ein Anwohner meinte lakonisch, die Fischtrasse sei eher ein Zuckerl - den Fischen sei es egal, ob sie in Ober-oder Untermenzing schwimmen ...

© SZ vom 08.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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