Obergiesing:Neue Zeit, neues Konzept

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In Feierlaune: Alexander Ostermeier, Sarah Enser, Hanna von Hummel und Wanessa Forbes (v. l.). (Foto: Robert Haas)

Der Freizeittreff in Obergiesing feiert sein 50-jähriges Bestehen. Und die Geschichte des "103ers" bildet den gesellschaftlichen Wandel ab: von der Verwahranstalt zur Begegnungsstätte

Von Hubert Grundner, Obergiesing

"Das Gute bewahren und Neues wagen." Unter dieses Motto, so erzählt Alexander Ostermeier, habe er seine Bewerbung um die Leitung des Freizeittreffs Obergiesing gestellt. Mit Erfolg, im Juni 2014 hat der Kreisjugendring München dem 41-Jährigen die Verantwortung für das Haus übertragen. Und dieses Motto würde sich im Grunde auch gut für das Jubiläum eignen, das am Freitag, 4. Dezember, ansteht: Der "103er", wie der Treff von den meisten Besuchern wegen seiner Anschrift Perlacher Straße 103 meist genannt wird, feiert sein 50-jähriges Bestehen. Ostermeier und seine Kolleginnen Sarah Enser, Bernadette Frytacki, Hannah von Hummel und Wanessa Forbes sind mit den Vorbereitungen für das Fest in diesen Tagen vollauf beschäftigt.

Als der 103er 1965 eröffnet wurde, da firmierte er noch als "Freizeitheim". Erst 20 Jahre später tauften ihn die Verantwortlichen in "Freizeittreff" um. Obwohl es sich dabei nur um eine kleine sprachliche Korrektur handelt, spiegelt sich darin doch auch ein veränderter gesellschaftlicher Blickwinkel: von der Verwahranstalt zur Begegnungsstätte. Man könnte auch sagen, die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen wurden ernster genommen.

Vom ersten Tag an aber galt, dass die Einrichtung stark im Stadtteil Obergiesing verwurzelt war. Und so ist es keine Seltenheit, dass Eltern von heute früher selbst Besucher waren. "Der 103er begleitet so manche Familien über Generationen hinweg", heißt es beim KJR. Das trifft auch auf Alexander Ostermeier zu. In Regensburg geboren, kam er als Dreijähriger nach Giesing und wuchs ganz in der Nähe an der Untersbergstraße auf. Als Kind und Jugendlicher besuchte er dann regelmäßig den Flachbau an der Perlacher Straße, oft auch begleitet von seiner jüngeren Schwester. Bald schon begann er, sich hier zu engagieren und hielt beispielsweise einen Computerkurs ab. Beruflich aber schlug Ostermeier zunächst einen anderen Weg ein: Er absolvierte bei der Firma Telenorma eine Ausbildung zum Kommunikationselektroniker. Nach fünfzehn Monaten Zivildienst, die er im Berg am Laimer Freizeittreff Zeugnerhof absolvierte, und während einer wirtschaftlichen Flaute in seiner Branche aber reifte sein Entschluss: "Jetzt schwenke ich beruflich um." Zunächst ließ er sich zum Erzieher ausbilden, holte parallel zu wechselnden beruflichen Stationen beim KJR ein Sozialpädagogik-Studium nach und erhielt schließlich seine erste Leitungsstelle im Kinder- und Jugendhaus Schäferwiese in Obermenzing.

Mit der Rückkehr nach Obergiesing schließt sich also für Ostermeier ein Kreis. Er kennt das Haus gewissermaßen von der Pike auf und will es nun in die Zukunft führen. Über die Vergangenheit hätte freilich kaum jemand besser erzählen können als Siegfried Bauer. Rund drei Jahrzehnt leitete er den 103er, seine pädagogische Handschrift prägte das Klima spürbar. Allerdings hat sich der Kreisjugendring inzwischen von Bauer getrennt. Sein Erbe hat Ostermeier angetreten, der nicht verschweigt, dass gerade die Anfangszeit, die mit einem Austausch fast des gesamten Personals einherging, nicht einfach war. Andererseits vollziehen sich solche Änderungen selten geräusch- und schmerzlos, obwohl und gerade weil daran kein Weg vorbeiführt. Denn die Notwendigkeit zur Erneuerung wächst auch in einem Freizeittreff im gleichen Maß, wie sich die Gesellschaft verändert. So schlägt heute der rasante Wandel in Schulen und Arbeitswelt durch bis auf das Angebot des 103ers. So habe man zum Beispiel aus dem einstigen Fitness- einen Multifunktionsraum gemacht. Der wiederum könnte jetzt im Rahmen von JAPs (Jugend - Arbeit - Perspektiven), einem berufsbezogenen Projekt, genutzt werden. Daneben sei man auch eine Kooperation mit der Mittelschule an der Perlacher Straße eingegangen und pflege Kontakte zu den dortigen Schulsozialarbeitern. Überhaupt schauten Eltern heute viel stärker als in früheren Jahren darauf, so Ostermeier, ob der Aufenthalt ihrer Kinder im 103er auch einen gewissen Nutzen im Sinne von Bildung bringe.

Von der Warte des gesellschaftlichen Wandels aus betrachtet, dürfte dem Team im Freizeittreff Obergiesing die Arbeit nicht so schnell ausgehen. Ostermeier hegt jedenfalls die "Hoffnung, dass es hier weitergeht und auch noch ein 100. Geburtstag gefeiert wird". Aber erst einmal steht am Freitag der 50. an.

© SZ vom 03.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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