Obergiesing:"Ich will neue Wege gehen"

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Die SPD hat den Leuten viel zugemutet, sagt Angelika Dörrie. (Foto: privat)

Angelika Dörrie verlässt die SPD und schließt sich den Grünen im Bezirksausschuss an

Von Hubert Grundner, Obergiesing

Den Sozialdemokraten laufen nicht nur die Wähler davon, auch die eigenen Mandatsträger kehren ihnen den Rücken. Jüngstes Beispiel aus dem Bezirksausschuss (BA) Obergiesing-Fasangarten: Angelika Dörrie ist am 14. Februar aus der Partei und in der Folge aus der SPD-Fraktion ausgetreten. Dörrie, die sich auch als Mieterbeirätin engagiert, wird sich der Grünen-Fraktion anschließen. SPD und Grüne werden somit mit jeweils acht Sitzen im Stadtbezirksgremium vertreten sein. "Der Schritt ist mir nicht leichtgefallen. Es war keine Kurzschlusshandlung und es hat mir sehr viel Bauchgrimmen bereitet", sagt Dörrie über ihren Austritt.

Sie war seit 2002 Mitglied der SPD, seit 2009 vertrat sie die Partei im Bezirksausschuss. SPD hat sie schon lange davor gewählt. Im Laufe der Jahre aber hat die SPD aus Sicht der Giesingerin, die als Beraterin in der Agentur für Arbeit tätig ist, ihren Wählern vieles zugemutet. Eine Erkenntnis, die inzwischen offenbar auch an der Spitze der Partei angekommen ist. Die jüngsten Vorstöße innerhalb der großen Koalition zur Abschaffung von Hartz IV und zur Einführung einer sogenannten Respekt-Rente deuten darauf hin. "Die SPD muss sich erneuern und wieder das Vertrauen der Wähler gewinnen", sagt Dörrie. Dies sei Aufgabe der jüngeren Generation, der sie durchaus zutraut, den notwendigen Wandel der Partei zu schaffen. Schließlich werde die SPD auch in Zukunft als politische Stimme in Deutschland gebraucht. Allerdings fügt sie hinzu: "Mir dauert das alles zu lange, dafür bin ich zu alt." Ihren Austritt aus der SPD, so Dörrie, könnte man vielleicht mit der Situation eines Ehepaars vergleichen, das sich trennt: Nach 40 langen und oft frustrierenden Ehejahren packt sie die Koffer, um die Wohnung zu verlassen, während er auf dem Sofa sitzt und bloß sagt: Das verstehe ich nicht. Dörrie aber will sich, wie sie sagt, auf ihre Themen - Miete und Wohnen - konzentrieren.

Offenbar haben sich bis zuletzt prominente Parteifreunde bemüht, die Giesingerin zum Verbleib in der SPD zu bewegen - "nur, ich sehe mich dort nicht mehr", sagt die Lokalpolitikerin. Sie hege auch gegen niemanden persönlich einen Groll in ihrer ehemaligen Fraktion, beteuert Dörrie. "Ich will neue Wege gehen - und damit soll es auch gut sein."

Ihrer Verantwortung gegenüber den Wählern versucht sie nun bei den Grünen gerecht zu werden. Die dürfen sich auf die Mitarbeit einer ausgewiesenen Arbeitsmarktexpertin und profilierten Sozialpolitikerin freuen. Vielleicht findet Dörrie dort auch die Anerkennung, die sie beispielsweise für ihre Vorschläge zur Minderung der Wohnungsnot älterer Menschen längst verdient gehabt hätte.

Manche Beobachter wundern sich noch immer, wie offenkundig lustlos die SPD ihre Ideen aufgegriffen hat: Ihr Ortsverein schaffte es nicht einmal, diese Ideen beim Parteitag der Münchner Sozialdemokraten auf die Tagesordnung zu bringen. Vielleicht erklärt auch das zum Teil Dörries Austritt.

© SZ vom 25.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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