Auch wenn München offiziell nicht mehr den Titel "Radlhauptstadt" für sich reklamiert, will im anlaufenden Kommunalwahlkampf niemand hintanstehen, wenn es darum geht, mehr Platz fürs Fahrrad zu fordern. Wer dafür kürzer treten soll, wird zunehmend kontrovers diskutiert, wie etwa in Obergiesing-Fasangarten. Im Bezirksausschuss (BA) sahen sich die Grünen nun einer "Koalition der Auto-Parteien CSU, SPD, Freie Wähler und FDP" gegenüber, die "den Bürgerwillen zu sauberer Luft konsequent ignoriert" und lieber Fußgängern "Platz wegnimmt", indem sie Radlstellplätze auf Fußwegen bevorzugt, statt Pkw-Parkplätze zu opfern.
"Statt konsequent Maßnahmen zu ergreifen, welche die Bürgerinnen und Bürger Obergiesings von den giftigen Abgasen befreien, ketten sich die anderen Parteien an jeden Parkplatz", schreibt Marcus Kaiser in einer Pressemitteilung der Grünen-Fraktion. Die starken Worte folgen einer lautstarken Debatte um ein mehrheitlich angenommenes Antragspaket der SPD-Fraktion und um Initiativen der Grünen, die mit ähnlichen Mehrheiten durchfielen.
Die eigentlichen Anträge lesen sich eher unspektakulär: Die SPD fordert Radlständer auf der südlichen Seite der Deisenhofener Straße, östlich der Heimgartenstraße. Der dortige Grünstreifen habe sich nach zwei heißen Sommern ohnehin in einen "Erdstreifen" verwandelt. Um dennoch die Baumwurzeln zu schonen, könnten schwere Fußwegplatten als Fundament dienen, was die Antragsteller zugleich als Modellversuch für andere Standorte empfehlen, beispielsweise bei der Tram-Wendeschleife an der Schwanseestraße oder der Südseite des Giesinger Grünspitzes. Zehn weitere Radlstellplätze fordert die SPD in einem weiteren Antrag bei der sogenannten Mittelpunktbibliothek an der Herzogstandstraße. Im ersten Fall könnten aus Grünen-Sicht alternativ zwei Pkw-Plätze wegfallen, den zweiten solle sich vor einer Entscheidung noch einmal die BA-Inklusionsbeauftragte Carmen Muck (SPD) ansehen.
Richtig aneinander gerieten die Fraktionen dann, als es um zehn bis 20 weitere Stellplätze vor der überaus beliebten Walter-Apotheke an der Ecke Rotwandstraße/Deisenhofener Straße ging. Das breite Trottoir der Rotwandstraße bietet laut Antragsteller den Abstellbügeln genug Platz, der dann aber, so die Grünen, gerade den oft betagten, auf Rollator oder Rollstuhl angewiesenen Apothekenkunden fehle. Deren Belange habe ja schon der Gesetzgeber mit den vorgeschriebenen Gehwegbreiten hinreichend geregelt, befand Alexander Schmitt-Geiger (SPD) und bezeichnete den Einwand der Grünen als "polemisch". Wechselseitige Retourkutschen hatten anschließend freie Fahrt, ehe die BA-Vorsitzende Carmen Dullinger-Oßwald (Grüne) ungewohnt harsch werden musste, um ihren Ordnungsrufen Gehör zu verschaffen.
Friedlich einigen konnte sich das Gremium sodann auf den Wunsch nach Fahrrad-Servicestationen mit Aufpump- und Reparaturmöglichkeiten am Tegernseer Platz, am Giesinger Bahnhof, am Auguste-Kent- oder am Ella-Lingens-Platz. Zurück zur Harmonie fand der BA auch im Wunsch nach einer E-Trike-Leihstation für elektrisch unterstützte Lastenräder; diese werden aber derzeit von der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) nach Vandalismusfällen nicht angeboten.
Einen bescheidenen Teilerfolg erzielten die Grünen schließlich mit ihrem eigenen Antragspaket, das darauf abzielte, Pkw-Plätze in Abstellflächen für Fahrräder und E-Scooter umzuwandeln: Standorte am S-Bahnhof Fasangarten (Endhaltestelle Bus 145) beziehungsweise an der Kiefernstraße (Endhalt Bus 147) will das Lokalgremium zumindest längerfristig nicht ausschließen und abwarten, bis der Auguste-Kent-Platz und die Fasanarkaden fertig gestellt sind. Sofort prüfen lassen will der Bezirksausschuss die Umwandlung von mindestens zwei Parkplätzen am Giesinger Bahnhof.