Obergiesing:Das Kreuz mit der Kunst

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Die Initiative "GiesingDenk(t)Mal" will das Kriegerdenkmal vor der Kirche in ein Friedenszeichen verwandeln. Geld von der Stadt gibt es dafür aber nicht: Das Kulturreferat vermisst an der Installation das kreative Element

Von Hubert Grundner, Obergiesing

"Wohl wäre Trauer angemessen, angesichts von Millionen Toten, Soldaten wie Zivilisten, die im Ersten Weltkrieg und auch noch die Jahre danach an dessen Folgen gestorben sind. Keinesfalls aber diese propagandistische Kriegs- und Heldenverehrung und die alljährliche Dekoration mit Kränzen zum Volkstrauertag." Dieses Urteil fällt die Initiative "GiesingDenk(t)Mal" und meint damit das Kriegerdenkmal vor der Kirche Heilig Kreuz. Die Mitglieder der Initiative - Herbert Dandl, HP Berndl, Gabi Denker, Anita Hilbig, Wolfram P. Kastner, Hans Proft und Wolfgang Stöger - wollen aus dem Kriegerdenkmal ein Friedenszeichen machen.

Zu dem Zweck soll das Kriegerdenkmal mit vier "opaken Glasscheiben aus Kunststoff" eingehaust werden, die einen informativen Text zum Ersten Weltkrieg, einen Text von Sophie Scholl sowie die Abbildung einer Grafik von Käthe Kollwitz und ein Foto eines Schlachtfeldes zeigen. Es wäre eine Art Gegenprogramm zu den Inschriften des Steinblocks ("Zu stetem Gedächtnis und in Dankbarkeit den toten Helden von Ober- und Untergiesing/Für dein Vaterland liessen sie ihr Leben, sie starben für dich") und der oben aufgesetzten Skulptur eines Stahlhelms. Die Mitglieder der Initiative kommentieren dies ziemlich unmissverständlich: Aus heutiger Sicht sei weder Dankbarkeit angebracht für den grauenhaften Tod in einem aus nationalistischen und militaristischen Motiven geplanten Angriffskrieg mit Millionen auf furchtbare Weise getöteten Soldaten und Zivilisten, noch seien die Hingeschlachteten als "Helden" zu verstehen, die fürs "Vaterland" ihr Leben gelassen haben und für uns gestorben sein sollen.

Als "militaristischen Steinklotz" bezeichnet Wolfram Kastner das Kriegerdenkmal am Giesinger Berg. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Initiatoren planten jedenfalls, die Installation im Juni/Juli 2021 zu errichten. Mindestens ein Jahr, wenn möglich auch länger, solle sie vor der Kirche stehen bleiben. Außerdem würden zu dem Projekt ein Informationsblatt und eine Broschüre publiziert. Die Kosten für Installation und Publikationen betragen nach Angaben der Verantwortlichen 13 300 Euro. Um das Geld aufzutreiben, haben sie beim Bezirksausschuss und beim städtischen Kulturreferat finanzielle Förderung beantragt.

Doch während die Idee eines "Friedensdenkmals", soweit erkennbar, durchaus auf Sympathie bei den Lokalpolitikern stößt, hat der Vorstoß aus dem Rathaus einen Dämpfer erhalten. So bedankt sich das Kulturreferat zwar für die "Initiative, sich mit vordemokratischen Denkmälern im öffentlichen Raum auseinanderzusetzen". Doch weiter heißt es in dem Schreiben: "Leider können wir Ihnen für eine Förderung aus dem Bereich Kunst im öffentlichen Raum keine Zusage erteilen. Das Projekt wird aus fachlicher Sicht als rein kommentierend-erinnerungskulturelles Projekt und nicht als Kunstprojekt bewertet."

Zusammen mit der Initiative "Giesing Denk(t)Mal" würde Wolfram Kastner das Kriegerdenkmal gerne umgestalten in ein "Friedenszeichen". (Foto: Kastner/Verein Freunde Giesings)

In seiner Begründung räumt das Kulturreferat ein, dass die Relevanz der Auseinandersetzung mit der Thematik belasteter Denkmäler unbestritten sei. Eine künstlerische Auseinandersetzung gehe aber über die historische Kontextualisierung - auch mit Hilfe von Bildern - hinaus und beinhalte das kritische Hinterfragen der Formgebung von Denkmälern an sich durch die künstlerisch-konzeptionelle Form.

Im Projektentwurf kommentierten und kontextualisierten die anzubringenden Tafeln die Inschrift des Denkmals. Die Verwendung von historischen Fotos und Bildern der Kunst (Käthe Kollwitz) entspreche der klassisch illustratorischen Verwendung von Bildern im historischen Kontext. Die Behörde moniert: "Aus Sicht des Kulturreferats wäre aber eine formal-künstlerische Aussage zum dargestellten Themenkomplex mit den Mitteln der Kunst notwendig, ebenso wie ein konzeptionelles Reflexionsmoment über die Tradition der heldenhaften und quasi-religiösen Repräsentation der Kriegerdenkmäler."

Das Kulturreferat ist nach eigenen Angaben gerade dabei, einen Prozess für den Umgang mit belasteten Denkmälern zu entwickeln. Dabei würden auch temporäre künstlerische Interventionen an Denkmälern wie dem Giesinger Kriegerdenkmal eine Rolle spielen. Und direkt an die Initiative "Giesing Denk(t)mal" gerichtet: "Es würde uns freuen, wenn wir im Zuge dessen erneut auf Sie zukommen dürfen."

Dass man sich bei der Initiative über dieses Angebot freut, darf bezweifelt werden. Insbesondere Wolfram Kastner, der immer wieder mit plakativen Aktionen zur NS-Vergangenheit auf sich aufmerksam gemacht hat, zeigte sich in einem Brief an die SZ verärgert, dass das Kulturreferat der Installation vor Heilig Kreuz die Förderfähigkeit als eigenständiges Kunstwerk abspricht: "Der ablehnende Brief des Kulturreferats klingt nach einem kunsttheoretischen Grundkurs und amtswaltender Zensur", poltert er. Kraft Amtes werde ultimativ definiert, was "aus fachlicher Sicht" Kunst sei und was nicht.

Ebenso wenig kann Kastner dem Hinweis abgewinnen, dass das Kriegerdenkmal unangetastet bleiben soll, weil das Kulturreferat gerade dabei sei, einen Prozess für den Umgang mit historisch belasteten Denkmälern zu entwickeln: "Bis dato ist davon nichts erkennbar geworden. Die Entwicklung eines städtischen, nicht öffentlichen Prozesses in den Amtsstuben des Kulturreferats kann Jahre dauern - oder weitere Jahrzehnte?", fragt sich Kastner. Bis dahin, so fügt er süffisant hinzu, dekoriere die Stadt alljährlich "den militaristischen Steinklotz" mit einem Kranz. Doch damit will sich die Initiative nicht abfinden: "Wir werden ganz sicher weiter darauf hinwirken und handeln, damit diese Kriegsverherrlichung endlich aufhört und aus dem Kriegermal ein Friedenszeichen wird."

© SZ vom 17.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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