Obergiesing:Appell in Frischhaltefolie

Lesezeit: 1 min

Verpackt: Das 1929 errichtete Kriegerdenkmal vor der Heilig-Kreuz-Kirche sieht aus, als ob es für einen Abtransport fertig gemacht worden sei. (Foto: Yoav Kedem)

Eine Initiative rund um Wolfram Kastner will aus einem Kriegerdenkmal ein Friedensmahnmal machen

Von Veronika Ebner, Obergiesing

Es erinnert ein wenig an den Verhüllungskünstler Christo, wie die Initiative "GiesingDenk(t)Mal" das Kriegerdenkmal vor der Heilig-Kreuz-Kirche am Mittwoch in einer Kunstaktion verändert hat. In Frischhaltefolie und Absperrklebeband ist das 1929 errichtete Monument nun eingehüllt, das - so die Kritik der Initiative - in militaristischer Manier den Krieg verherrliche und gefallene Soldaten zu Helden stilisiere. "Es ist eine Verhüllung, die Neugier erregt" sagt Künstler und Initiator Wolfram P. Kastner, "und einerseits verhüllt, aber andererseits gerade sichtbar macht." Es sei eine ästhetische Intervention, die gleichzeitig als Fragestellung und Anregung in Richtung städtisches Kulturreferat zu verstehen sei.

Denn die Initiative macht sich bereits seit rund einem Jahr dafür stark, das Kriegerdenkmal in einen historischen Kontext zu stellen und in ein Friedensmahnmal zu verwandeln. Ein erster Projektvorschlag sah vier Plexiglaswände vor, auf welchen etwa ein Zitat von Sophie Scholl oder auch eine Abbildung eines Schlachtfeldes aus dem Ersten Weltkrieg zu sehen sein sollte. Das Kulturreferat lehnte den Vorschlag mit der Begründung ab, es handle sich nicht um Kunst, sondern um ein "rein kommentierend-erinnerungskulturelles Projekt". Außerdem kündigte das Referat an, man sei dabei, "einen Prozess mit dem Umgang belasteter Denkmäler zu entwickeln". Im Sommer wolle die Stadt alle Initiativen, die in dieser Richtung aktiv sind, zu einem gemeinsamen Gespräch einladen, erzählt Herbert Dandl, der ebenfalls zu "GiesingDenk(t)Mal" gehört.

Bis zum Sommer wollte die Initiative rund um Kastner allerdings nicht warten, weshalb sie nun die provisorische Aktion umsetzte. Vor dem in Frischhaltefolie gehüllten Denkmal finden sich nun zudem zehn Schilder mit Zitaten, etwa von der Pazifistin und Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner, dem Autor Wolfgang Borchert oder der bekannte Ausspruch von Willy Brandt: "Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts". Einen Kontrapunkt setzt eine Tafel mit propagandistischen Reimen aus dem Ersten Weltkrieg. In roter Schrift sind die hetzerischen Aufrufe wie "Serbien muss sterbien!" oder "Jeder Stoß - ein Franzos'!" zu lesen. Die Schilder und die Folie sollen nun so lange dort bleiben, wie es die Witterung - oder die Stadt - erlaubt. "GiesingDenk(t)Mal" hat indessen die ursprüngliche Idee als erinnerungskulturelles Projekt beim Kulturreferat eingereicht. Die Antwort steht noch aus.

© SZ vom 10.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: