Oberföhring:Wächter der Lokalgeschichte

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Verein Nordostkultur will der zunehmenden "Gesichtslosigkeit des Viertels" etwas entgegensetzen und erinnert mit Ausstellungen an die historischen Wurzeln Föhrings. Kunsträume wurden in Eigenregie hergerichtet

Von Ulrike Steinbacher, Oberföhring

Sie waren richtige Bauernwirtschaften, die Schlosswirtschaft und der Gasthof "Zur Post" in Oberföhring, breite behäbige Häuser mit schönen Biergärten, wie man sie heute noch in manchen niederbayerischen Dörfern findet. "Von dieser historischen Gaststätte in prächtiger Höhenlage am Isarstrand hat man einen einzigartigen Überblick über die Stadt und einen wundervollen Ausblick nach dem Gebirge", steht auf einer Werbepostkarte der Schlosswirtschaft aus dem Jahr 1941. Dieser "Föhringer Blick" auf die Münchner Kirchtürme und - bei Föhn - die Zugspitze war schon 120 Jahre zuvor berühmt gewesen. Landschaftsmaler wie Wilhelm von Kobell verewigten die Szenerie, und die Münchner spazierten damals gern isarabwärts, um in Oberföhring die Aussicht und ein Bier zu genießen.

Der Bogenhauser Verein Nordostkultur, aus dessen Fundus die historische Postkarte stammt, hatte die Oberföhringer Ortsgeschichte vor zehn Jahren zu Münchens 850. Stadtgeburtstag in einer Ausstellung aufbereitet. Schließlich ist Oberföhring gut 400 Jahre älter als die Großstadt, zu der es seit 1913 gehört. Und mit seinem florierenden Salzhandel wäre der Markt im Herrschaftsbereich des Freisinger Bischofs im Mittelalter vielleicht selbst zu einer bedeutenden Stadt aufgestiegen, hätte Herzog Heinrich der Löwe die Salzstraße 1158 nicht nach Süden auf sein eigenes Terrain verlegt und damit das unbedeutende Munichen aufgewertet.

Privilegierte Höhenlage: Auf dieser Postkarte aus der Zeit um 1910 ist der Gasthof "Zur Post" in Oberföhring zu sehen. Von der historischen Wirtschaft aus hatte man einen einzigartigen Blick über die Stadt und eine besonders schöne Aussicht ins Gebirge. (Foto: privat)

Für 2019 plant der Verein Nordostkultur gemeinsam mit Institutionen in Freising, Ismaning und Unterföhring eine Ausstellung über die Zeit, als die "Orte in der Grafschaft auf dem Yserrain" noch zum Hochstift Freising gehörten. Der Arbeitstitel lautet "1319", denn vor 600 Jahren erhielt der Freisinger Bischof Konrad III. als Reichsfürst die landesherrliche Souveränität.

Einstweilen aber haben die 350 Vereinsmitglieder ihre alte Schau mit dem Titel "Föhring - Geburtshelfer Münchens?" noch einmal aufgelegt, ebenfalls um ein besonderes Datum zu markieren - die Eröffnung ihrer neuen Räume im Oberföhringer Bürgerpark, der ersten festen Ausstellungsadresse, die der Verein hat. "Bisher haben wir unsere Tafeln und Modelle immer abgebaut und eingelagert", sagt der Vorsitzende Roland Krack. Weil sich aber der Oberföhringer Männergesangsverein von 1894 mangels Nachwuchs hatte auflösen müssen, wurde im Bürgerpark auf dem ehemaligen Krankenhausgelände Platz frei, den die Leute von Nordostkultur in Eigenregie zum Ausstellungsraum umfunktionierten - neuer Boden, weiß gestrichene Wände, moderne Lichtleisten.

Nicht alle Tafeln der Föhring-Ausstellung finden dort Platz, ein Teil ist in den Korridor und nach nebenan in den Übungsraum der Faschingsgesellschaft ausgelagert. Dort steht auch das Modell einer Pfahljochbrücke, wie sie im Mittelalter über die Isar geführt haben könnte. Gebaut hat es der 2017 gestorbene Bühnenbildner Josef Krause, ein Vereinsmitglied. "Salz" ist auf den Säcken zu lesen, die die Ochsenkarren über die Holzdielen ziehen.

"Föhring" ist aber nur die erste Hälfte der geplanten Doppelausstellung im neuen Domizil: Von Freitag, 6., bis Donnerstag, 29. April, stellt der Verein Nordostkultur Martin Dülfer vor, den "Wegbereiter des Münchner Jugendstils". Dazu ist am 6. April, 18.30 Uhr, ein Einführungsvortrag von Ausstellungsmacher Dieter Klein geplant. Der Kunsthistoriker unternimmt außerdem am Dienstag, 13. April, 13 Uhr, einen Stadtteilspaziergang zu den Jugendstilvillen in Bogenhausen.

Im diesseitigen Paradies der Bayern: Die Radierung zeigt den Biergarten der ehemaligen Schlosswirtschaft in Oberföhring. (Foto: privat)

Dass der Verein Nordostkultur die Lokalgeschichte wach hält, sei ein Versuch, der zunehmenden "Gesichtslosigkeit des Viertels" etwas entgegenzusetzen, sagt Roland Krack. Denn dass das Alte spurlos verschwindet, ist auch in Oberföhring trauriger Alltag. Aus der Schlosswirtschaft wurde das Hotel Bräupfanne, wo sich 1983 die Republikaner gründeten. "Die weitere Nutzung des Gebäudes ist unbestimmt", heißt es auf der Website von Nordostkultur. Und der Gasthof zur Post wurde 1999 abgerissen. Nur die Bewohner des Apartmenthauses haben von dort aus jetzt noch den "Föhringer Blick".

"Oberföhring - Geburtshelfer Münchens", bis Sonntag, 25. März, jeweils Freitag, Samstag und Sonntag, 14 bis 18 Uhr, Bürgerpark, Oberföhringer Straße 156, Haus 1, gegenüber vom Kasperltheater

© SZ vom 16.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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