Oberföhring:Hindernisse vor der Haustür

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Gudrun List ist eigens vor fünf Jahren ins betreute Wohnen an den Hochstiftsweg gezogen, weil das Haus mit seinen Aufzügen und schwellenlosen Türen für Rollstuhlfahrer wie sie geeignet ist. Doch draußen ist nur schwer vorwärtszukommen und Besserung ist nicht in Sicht

Von Ulrike Steinbacher, Oberföhring

Dass Nachzügler vom Herumtrödeln manchmal richtig Ärger kriegen, weiß man nicht erst seit Michail Gorbatschows berühmten Worten Richtung DDR-Spitze. Hin und wieder bestraft einen das Leben aber auch, wenn man sehr früh dran ist. Davon können die Bewohner des "Cosimagartens" ein Lied singen. Seit 2008 warten sie darauf, dass der knapp 200 Meter lange Hochstiftsweg, der von der Cosimastraße zu ihrer Anlage führt, vernünftig asphaltiert und mit einem ordentlichen Gehweg ausgestattet wird. Schon öfter sind Fußgänger mit ihrem Rollator gestürzt, sind Behinderte mit ihrem Rollstuhl umgekippt. Schon früher gab es Beschwerden. Doch die Stichstraße soll erst fertig ausgebaut werden, wenn die letzten Wohnungen im Geviert zwischen Effner-, Johanneskirchner und Cosimastraße hochgezogen sind. Und das kann dauern.

Der "Cosimagarten" war das allererste Gebäude das am Hochstiftsweg fertig wurde. 2018 feiert die Anlage für seniorengerechtes und betreutes Wohnen ihr zehnjähriges Bestehen. Die Bewohner konnten in den Jahren nach ihrem Einzug zuschauen, wie vorne an der Ecke ein Discounter samt Parkhaus entstand und gleich gegenüber ein sechsgeschossiger Wohnblock mit Kindertagesstätte, Bank und Bäckerei. Sie wurden Zeugen, als die Concept Bau südlich ihres Anwesens die Bogenhauser Höfe errichtete, drei Stadtvillen und einen geschwungenen Riegel mit insgesamt 144 Wohnungen. Jetzt sind nur noch Flächen nördlich des Hochstiftswegs unbebaut.

Die Straße und der Gehweg vor dem Haus von Gudrun List sind noch nicht endgültig ausgebaut. (Foto: Alessandra Schellnegger)

In all diesen Jahren war die kleine Stichstraße, die in einem Wendehammer endet, nicht viel mehr als eine Baustellenzufahrt. Das gilt bis heute: Seit Monaten würden regelmäßig nachts und am Wochenende ein halbes Dutzend schwere Lastwagen am Straßenrand geparkt, klagte ein Anwohner im Sommer per E-Mail an den Bezirksausschuss Bogenhausen. Stadtviertelvertreter und Polizei sehen aber keine Möglichkeit einzugreifen: Weil der Hochstiftsweg weder endgültig ausgebaut noch offiziell als Straße im Wohngebiet gewidmet ist, ist das Parken von Lastwagen nicht verboten.

Die Kommunalpolitiker haben noch ein ganz anderes Problem ausgemacht: "Der Gehweg neigt sich seitlich, ist sehr schmal und mit Schlaglöchern versehen. Der aufgetragene Asphalt ist sehr grobkörnig", beschreibt SPD-Sprecherin Karin Vetterle die Situation in einem Antrag ihrer Partei, der vom Bezirksausschuss (BA) befürwortet wird. Das Gremium fordert, "den maroden Gehweg am Hochstiftsweg endlich herzurichten".

Für alle, die einigermaßen gut zu Fuß sind, sieht dieser Gehsteig gar nicht so schlimm aus: ein bisschen schmal, ein bisschen schief, hie und da ein wenig holprig, das schon. Wie mühselig es für Rollstuhlfahrer ist, auf einem solchen Untergrund vorwärtszukommen, kann Gudrun List beschreiben. Die 59-Jährige leidet an den Folgen der Kinderlähmung. Rollstuhlfahrer, sagt sie, "haben nicht unbedingt viel Kraft in den Armen". Daher sei "alles, was nicht brettl-eben ist", schwer zu befahren. Die kleinen Räder würden hängen bleiben, der Rollstuhl tendiere zum Kippen, wenn sich der Weg zur Seite neigt. Bei plötzlicher Steigung könne er leicht nach hinten umfallen, vor allem wenn man seine Einkäufe hinter dem Sitz verstaut und damit den Schwerpunkt verlagert habe. Auf dem Gehweg vor ihrer Haustür müsse man mit einer Hand ständig gegenlenken, "wie wenn man einen Einkaufswagen über eine unebene Fläche schiebt. Das ist wahnsinnig anstrengend", beschreibt Gudrun List.

Holprig, schief und beschwerlich gestaltet sich oft Weg. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Betroffene fordern ebenso wie der BA, den Gehweg so aufzubauen, dass sie dort mit Rollstuhl und Rollator gefahrlos vorwärtskommen. Besserung allerdings ist vorerst nicht in Sicht, denn die Sache ist mal wieder kompliziert: Ursprünglich hatte die Stadt nördlich des Hochstiftswegs Gewerbe ansiedeln wollen. Dann schwenkte der Stadtrat um und entschied 2008, dass ein Stadtteilzentrum mit Einzelhandel, Altenpflegeheim und Wohnungen entstehen soll. Dafür musste aber der Bebauungsplan geändert werden, und so was ist immer langwierig. Im November 2015 trat der neue Leitplan schließlich in Kraft. Er sieht unter anderem vor, dass der Hochstiftsweg im Endausbau verkürzt und der Wendehammer ein Stück vom Eingang des betreuten Wohnens weg verlegt wird.

Die Bebauung selbst ist aber Sache der Investoren, und sie sind auch für den Ausbau von Straße und Gehweg zuständig. Der allerdings wird erst in Angriff genommen, wenn Pflegeheim, Wohnungen und Läden errichtet sind, sprich, wenn die Baustelle fertig ist. Bisher wurde dort aber noch nicht einmal angefangen. Kein Schild weist darauf hin, dass es bald soweit sein könnte, bis 17. September gastiert der Circus Baldoni auf den Wiesen. Noch nicht einmal die Zuständigkeit lässt sich momentan klären. "Zu einem gewissen Teil sind wir Erschließungsträger", sagt ein Sprecher der Bauland GmbH, einer Tochter der Deutschen Kreditbank AG (DKB). Was Straße und Gehweg betrifft, "gehen wir im Augenblick davon aus, dass wir dafür noch zuständig sind". Deswegen werde "möglichst noch diese Woche" die hölzerne Abtrennung zwischen Fahrbahn und Gehweg "in einen vernünftigen Zustand versetzt". Weiterführende Fragen kann der Sprecher nicht beantworten, alle zuständigen Kollegen seien derzeit im Urlaub.

Menschen mit Rollator und Rollstuhlfahrern fehlt oft die Kraft in den Armen, auch kleinste Barrieren zu bewältigen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Sanierung des Gehsteigs am Hochstiftsweg dürfte angesichts dieser Ausgangslage eine zähe Angelegenheit bleiben, selbst wenn sich der BA dafür ins Zeug legt. Gudrun List ist übrigens vor fünf Jahren ins betreute Wohnen gezogen, weil das Haus mit Aufzügen und schwellenlosen Türen barrierefrei ist. "Und jetzt habe ich die Barriere vor der Tür", sagt sie.

© SZ vom 07.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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