Oberföhring:Die Mischung macht's

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Schon jetzt fürchten die Nachbarn, dass sich nach Fertigstellung des Prinz-Eugen-Parks eine Blechlawine über sie ergießen wird. Verkehrsplaner arbeiten deshalb an einer Lösung, den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren

Von Ulrike Steinbacher, Oberföhring

Die ersten Bewohner des Prinz-Eugen-Parks ziehen frühestens in zwei Jahren ein, aber den Nachbarn ist jetzt schon himmelangst. Nicht wegen der 4000 Menschen, die einmal auf dem Gelände der ehemaligen Pionierkaserne in Oberföhring leben werden, sondern wegen ihrer Autos. Verkehrskollaps, Dauerstau, Lärm und Gestank sind die Stichwörter dieser Debatte. Zugrunde liegt ihr die Annahme, dass "mehr Menschen" automatisch auch "mehr Autos" bedeutet.

Für diese Gleichung soll es im Prinz-Eugen-Park aber eine bessere Lösung geben: Die Verkehrsplaner wollen - im Fachjargon gesagt - "den Mobilitätsmix verändern", um "den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren". Heißt konkret: Die Leute sollen nicht ins Auto steigen, sondern aufs Rad und in die Tram 16 oder 18, die direkt vor dem neuen Wohngebiet an der Cosimastraße hält. Dafür wiederum muss man ihnen ein Angebot machen, das verlockend genug ist, um das Auto in der Garage zu lassen - oder es gleich ganz abzuschaffen. Ein solches Ziel mag utopisch klingen, wird anderswo in München aber schon Realität: Im Neubaugebiet Domagkpark in Schwabing-Freimann verwirklicht ein Konsortium seit zwei Jahren ein Mobilitätskonzept. Und im Prinz-Eugen-Park etablieren sich gerade genau die Strukturen, die das dortige Pilotprojekt tragen.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Den Abschied vom eigenen Wagen sollen Fahrrad-...

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(Foto: Robert Haas)

...und Auto-Leihstationen...

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(Foto: Florian Peljak)

...sowie öffentliche Verkehrsmittel erleichtern.

In Oberföhring werden etwa 1800 Wohnungen entstehen. Mit Ausnahme der ökologischen Mustersiedlung sind alle Baufelder vergeben - 1400 der 1800 Wohnungen. Gebaut werden sie von ganz verschiedenen Akteuren in ganz verschiedenen Preissegmenten: von Genossenschaften, Baugemeinschaften, Bauträgern und städtischen Wohnungsbaugesellschaften. In einem großen Neubaugebiet ist das ein ganz gewöhnlicher Mix.

Ungewöhnlich ist aber, dass all diese Akteure sich nach dem Vorbild Domagkpark zu einem Konsortium zusammengeschlossen haben und so ein Infrastruktur- und Mobilitätskonzept entwickeln. Dass alle mitmachen, freut Koordinator Christian Stupka. Er gehört dem Vorstand der Baugenossenschaft Wogeno an, die im Prinz-Eugen-Park 80 Wohnungen errichtet.

Das Mobilitätskonzept macht sich zwei Alltagstrends zunutze. Erstens: Der Stadtmensch nimmt das Verkehrsmittel, das gerade am besten passt, sprich, ihn so schnell wie möglich so billig wie möglich so nah wie möglich an sein Ziel bringt. Dazu muss er natürlich wissen, welche Optionen er überhaupt hat, braucht also eine Informationszentrale in seinem Viertel und zusätzlich - weil er bequem ist - auch noch ein paar dezentrale Anlaufpunkte am besten vor der Haustür, wo er sich über alle Angebote informieren und sie möglichst auch gleich buchen kann. Trend Nummer zwei: Der Stadtmensch, vor allem der junge, will seine Fortbewegungsmittel nutzen, aber nicht unbedingt besitzen. Autos und Räder sind schließlich teuer. An dieser Stelle kommen Isarcard, Leihauto, Mitfahrbörse und Carsharing ins Spiel, aber auch Leihräder aller Art. Mit den entsprechenden Partnern arbeitet das Konsortium zusammen.

Voraussetzung, dass das Konzept greift, ist, dass die Bewohner im Alltag kein Auto brauchen, sagt Stupka. Das bedeutet, Schulen, Kindergärten, Supermärkte, Cafés, vielleicht ein Theater müssen zu Fuß erreichbar sein. Für den Prinz-Eugen-Park trifft das zu. Geplant sind dort Supermarkt und Drogeriemarkt, Gastronomie, eine Grundschule, vier Kindertagesstätten und am zentralen Platz ein Kulturbürgerhaus.

Bleibt das leidige Thema Parkplätze. Der eigene Stellplatz, der den ganzen Tag leer steht, weil der Besitzer in der Arbeit ist, ist in diesem Konzept natürlich Geschichte. Stattdessen soll ein Computersystem die Verwaltung der Garagen übernehmen und freie Stellplätze anderen Nutzern zuweisen - sei es für ein paar Stunden oder für ein paar Wochen. Zu reservieren sind solche flexiblen Stellplätze über eine App, die dem Teilzeitnutzer das richtige Tiefgaragentor öffnet. Dieses System soll auch die Parkplätze des Supermarkts und anderer Gewerbebetriebe im Prinz-Eugen-Park in der Zeit nach Ladenschluss zugänglich machen. Oberirdisch soll von parkenden Autos möglichst wenig zu sehen sein, von Carsharing-Fahrzeugen und Kurzparkern abgesehen.

Das Konsortium ist jetzt damit beschäftigt, die Einzelbausteine zu einem Gesamtkonzept zusammenzufügen. Dabei reden viele mit: von den Referaten der Stadtverwaltung über Bike- und Carsharing-Anbieter und die Münchner Verkehrsgesellschaft bis hin zu Dienstleistern fürs Stellplatzmanagement und den Bezirksausschuss (BA) Bogenhausen.

Dessen Mitglieder sind skeptisch. Gerade haben sie mehrheitlich beantragt, den Stellplatzschlüssel für die ökologische Mustersiedlung von 0,5 auf 1,0 zu erhöhen. "Ich muss da einfach noch mehr sehen", sagt die Vorsitzende Angelika Pilz-Strasser (Grüne) zum Thema Mobilitätskonzept. "Es braucht attraktive Dinge, um den Menschen die Idee in den Kopf zu pflanzen, dass es vielleicht auch ohne Auto geht." Laut Christian Stupka ist ein Besuch im Domagkpark geplant, um zu zeigen, wie der neue Mobilitätsmix funktioniert. Bei Robert Brannekämper (CSU) ist noch Überzeugungsarbeit zu leisten. Im BA kommentierte er die Pläne für den Prinz-Eugen-Park so: "Die Leute werden im Winter nicht mit dem Radl oder mit der Kutsche fahren, sondern halt doch mit dem Auto."

© SZ vom 24.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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